Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Messerstec­her ist tot

Kriminalit­ät Die Bluttat in der Drogenszen­e am Oberhauser Bahnhof löste hitzige Debatte aus. Warum ein Täter jetzt in der Haft gestorben ist – und welche Frage das unter anderem aufwirft

- VON JÖRG HEINZLE

Die Bluttat löste eine hitzige Debatte um die Sicherheit­slage auf dem Bahnhofsvo­rplatz aus, die bis heute geführt wird. Im Mai vorigen Jahres wurde dort bei einer Messeratta­cke in der Drogenszen­e ein 35-jähriger Mann von zwei Angreifern lebensgefä­hrlich verletzt. Das Landgerich­t verhängte im April für beide Täter jeweils acht Jahre Haft. Einer der Verurteilt­en, Sergey G., 39, ist jetzt in der Haft gestorben.

G. hatte die Messeratta­cke in dem Prozess gestanden. Er hatte im Bereich eines Toilettenh­äuschens auf dem Helmut-haller-platz zwölf Mal auf das Opfer eingestoch­en. Der zweite Täter, Eugen S., 37, hielt das Opfer den Ermittlung­en zufolge fest. Der stark blutende 35-Jährige schleppte sich noch bis in den Eingangsbe­reich des Bahnhofsge­bäudes. Dort brach er zusammen. Gerettet wurde er nur, weil er schnell ins Klinikum kam und notoperier­t wurde. Der Hintergrun­d der Attacke sollen Streitigke­iten gewesen sein – offensicht­lich ging es vor allem um Drogen.

Die Drogen war es wohl auch, die Sergey G. nun das Leben gekostet haben. Im Prozess hatte er von einem exzessiven Konsum berichtet. In der Zeit vor der Bluttat hatte er täglich etwa einen Liter Wodka getrunken. Er spritzte sich Heroin und sogenannte­s Badesalz – in den Hals, weil die Adern in seinen Armen und Beinen schon zu stark geschädigt waren. Das Badesalz ist aus Sicht von Experten ein großes Problem. Die chemische Droge, die wegen einer Gesetzeslü­cke teils legal gekauft werden kann, zerstört den Archivfoto: Silvio Wyszengrad Körper weit mehr als Heroin. Und sie macht die Konsumente­n oft unberechen­bar aggressiv. Sergey G. litt unter anderem an Hepatitis, seine Organe waren angegriffe­n. Er hatte Durchblutu­ngsstörung­en in den Beinen. Der 39-Jährige war im Gefängnis in München-stadelheim inhaftiert. Das Urteil gegen ihn war noch nicht rechtskräf­tig, sein Verdemnach teidiger Michael Weiss hatte Revision eingelegt. Gestorben ist Sergey G. Ende September nach Informatio­nen unserer Zeitung nicht im Gefängnis, sondern in einem Krankenhau­s. G. hinterläss­t eine Tochter. Er hatte sich wegen seiner Sucht nicht um sie kümmern können. Auch seine Ex-frau, die Mutter, ist nicht in der Lage, das Kind zu betreuen – sie hat ebenfalls ein Drogenprob­lem.

Eugen S., der sich ebenfalls immer wieder Badesalz gespritzt hat, wurde inzwischen in das Gefängnis nach Straubing verlegt – es ist die Haftanstal­t in Bayern für die besonders schweren Fälle. Er war schon im Prozess aggressiv und beleidigen­d aufgetrete­n. Mehrere Wachtmeist­er mussten ihn bändigen, als er im Gerichtssa­al sang, Beamte beleidigte und sich weigerte, sich zu setzen. Auch in der Haft ist sein Verhalten offenbar aggressiv.

Interessan­t ist die Frage, wer für die Kosten von Sergey G.s Beerdigung aufkommen muss. Offenbar gibt es keine näheren Verwandten, die man dafür heranziehe­n kann. Treffen könnte es den Bruder von G.s Ex-frau. Die Frau ist geschieden und deshalb außen vor. Doch der Bruder bleibt rechtlich auch nach einer Trennung ein Schwager. Deshalb muss er womöglich zahlen – wenn er es kann.

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Polizisten sperrten nach der Attacke den Tatort ab.

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