Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bezahlbare Wohnung dringend gesucht
Immobilien Derzeit stehen viele soziale Wohnbauprojekte in Augsburg an. In der Summe wird aber immer noch zu wenig gebaut. Das spüren vor allem Menschen, die wenig Geld in der Tasche haben. Das Rentner-ehepaar Moser erzählt
Ab Mitte des Monats gibt es bei den Mosers kein Fleisch mehr zu essen. Denn dann ist das Geld knapp. Schmalkost ist angesagt. Michael Moser, der aus gesundheitlichen Gründen mit 56 Jahren erwerbsunfähig wurde, erhält eine Rente von 667 Euro. Die Rente seiner Frau Bärbl beträgt monatlich 476 Euro. Es reicht ihnen kaum zum Leben. Das Ehepaar sucht eine günstigere Wohnung. Damit mehr Geld übrig bleibt. Doch bislang vergebens.
In den vergangenen zwei Jahren hat sich das gesundheitlich angeschlagene Ehepaar 15 Wohnungen angeschaut, die finanziell in Frage kamen. Für ihre jetzige in Pfersee zahlen sie 558 Euro Miete. „Wir haben immer nur Absagen erhalten“,
Auf der Warteliste der WBG stehen 5000 Namen
sagt der 66-jährige Michael Moser. Er und seine 74 Jahre alte Ehefrau, die zwei Brustkrebsoperationen hinter sich hat und zu 90 Prozent schwerbehindert ist, sind frustriert. Weil es ihrer Meinung nach nicht genügend sozialen Wohnraum gibt und weil sie sich diskriminiert fühlen.
Bezahlbare Wohnungen für Menschen, die mit vergleichsweise wenig Geld auskommen müssen, sind in Augsburg in der Tat Mangelware. Allein auf der Warteliste der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (WBG) sind derzeit rund 5000 Antragssteller eingetragen. Tendenz steigend. Denn aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen wird der Wohnraum zunehmend knapp. Zählte Augsburg vor fünf Jahren noch 270 000 Einwohner, hat die Stadt in diesem Jahr die 290000-Marke geknackt. Hält der Trend an, zählt Augsburg in drei Jahren 300000 Bürger. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt steigt entsprechend.
Die WBG soll deshalb bis ins Jahr 2020 rund 600 neue Wohnungen bauen. 210 Millionen Euro werden investiert. „Es werden letztlich knapp 750 Wohnungen sein, die aber nicht alle 2020 fertig sein werden. Bei manchen ist erst 2019 Baubeginn“, sagt WBG-CHEF Dominik Hoppe. Im Wohnungsausschuss stellte er nun die verschiedenen Neubauprojekte vor, die sich allesamt im Westen und Nordwesten der Stadt befinden. Hoppe: „Ich würde überall bauen, wenn ich ein passendes Grundstück finde. Die ist, dass das Areal Platz für mindestens 35 bis 40 Wohnungen bieten müsste. Da ist bei uns die Untergrenze.“Insgesamt verfügt die WBG derzeit über 9923 Wohnungen. Ihr Ziel: 100 neue Wohnungen pro Jahr.
„Das Wohnungs- und Stiftungsamt hat mitgeteilt, dass bereits Anträge für 1500 geförderte Wohnungen bis 2019 – also auch über die WBG hinaus – vorliegen. Das ist eine Steigerung gegenüber der vo-
Hier entstehen über 700 Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft
Kriegshaber/reese-areal Mit 141 Wohnungen ist es das größte Projekt. Im östlichen Teil des Gebiets soll ein 2000 Quadratmeter großer Vollsortimenter öffnen, im westlichen Teil ein Tagescafé und ein Drogeriemarkt. Südwestlich davon werden rund 100 Wohnungen gebaut. Dort werden Arztpraxen, eine Apotheke und eine Tagespflege für die Senioren eingeplant. Etwa 45 Wohneinheiten entstehen an der Ecke Sommestraße/offinger Straße beim Reese-areal. Dort fand kürzlich der Spatenstich statt. rangegangenen Ratsperiode um 400 Prozent“, sagt Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD).
Die geförderten Wohnungen nehmen nur einen Teil des gesamten Neubauvolumens ein. Dieses liegt in den vergangenen Jahren bei rund 1100 Wohneinheiten pro Jahr. Kiefer: „Die Tendenz ist steigend. Das hilft, reicht aber noch nicht, um die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt zu überwinden.“Kiefer betont, dass die von der WBG gebauvoraussetzung
An der Ulmer Straße zwischen Spectrum, Synagoge und Friedhof sollen neben einem Verwaltungsgebäude des Amts für Soziale Dienste 26 Wohnungen entstehen. Eine Baugenehmigung ist noch nicht erteilt. Die WBG hat eine Schallschutz-variante (wegen des benachbarten Clubs) erarbeiten lassen, die derzeit vom Umweltamt geprüft wird. Anschließend wird mit den Spectrumbetreibern weiter verhandelt.
Kriegshaber/flak-kaserne Auf einem Grundstück zwischen der Dr.- ten Wohneinheiten vielen Augsburger Bürgern zur Verfügung stehen. „Etwa 70 Prozent der Augsburger Bevölkerung passt in die Kriterien, die einen Einzug in eine solche geförderte Wohnung zulassen. Eine vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von bis zu 65000 Euro gehört beispielsweise auch dazu“, sagt Kiefer.
Wenn WBG-CHEF Dominik Hoppe in die Zukunft blickt, dann gibt es im Stadtgebiet nicht mehr allzu Dürrwanger- und Neusässer Straße sollen 35 Wohnungen errichtet werden. Mit einem Spatenstich für ein Ärztehaus begann kürzlich die Bebauung.
Pfersee/spicherer-schule Rund Wohnungen und eine Kindertagesstätte sieht die WBG auf dem Grundstück vor, auf dem heute noch die ehemalige Spicherer-schule steht. Das Gebäude steht seit Monaten leer. Hier sollten ab März 85 Flüchtlinge einziehen. 2018 soll die Schule abgebrochen werden. Ein Bebauungsplan wird erarbeitet. 60 viel Entwicklungspotenzial. Eine Möglichkeit ist das in diesem Jahr ins Spiel gebrachte Gebiet Haunstetten-südwest. Dabei handelt es sich um ein riesiges Gebiet entlang der B17, das derzeit nicht erschlossen ist. Tausende Menschen könnten dort einmal wohnen. Die Grundstücke liegen allerdings in privater Hand. Ende Mai wurde die Verwaltung im Bau- und Konversionsausschuss damit beauftragt, erste Planungsschritte für das Areal Haunstetten-südwest vorzubereiten. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass für einen Verfahrens- und Planungsprozess mit Flächen in der Dimension eines neues Stadtteils fünf bis zehn Jahre benötigt werden. Eine lange Zeit.
Vor allem auch für das Rentnerpaar Moser. Es fühlt sich irgendwie von der Gesellschaft im Stich gelassen.
Ehemann versetzt den Schmuck seiner Frau
„Ich habe in meinem Beruf alles getan und geholfen. Und einen Dank kriege ich nicht“, klagt die ehemalige Altenpflegerin. Um über die Runden zu kommen versetzt Ehemann Michael Moser etwa den Schmuck seiner Frau. „Für eine Korallenkette und das Armband habe ich 15 Euro bekommen.“
Bei der Lebensmittelausgabe des nahegelegenen Pfarrheims holen sie sich die Grundnahrungsmittel Nudeln, Mehl und Brot. Da die Mosers jeden Cent umdrehen müssen, würde ihnen eine günstigere Wohnung viel helfen. Dann könnten sie auch wieder mehr am öffentlichen Leben teilnehmen. Denn auch das fehlt Bärbl Moser, wie sie sagt. Zu dem Weinfest neulich bei ihnen in der Nähe konnten sie nicht hingehen. Weil sie kein Geld hatten. „Immer nur daheim und Hausarbeit – ich habe es so satt.“»Kommentar