Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ist Bob Dylan undankbar? A

CONTRA

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nders als Bob Dylan hat Theodor Fontane den Nobelpreis für Literatur zwar nie bekommen. Aber der Autor von „Effie Briest“war ein feiner Menschenke­nner. Ihm verdanken wir diesen klugen Satz: „Das Undankbars­te, weil Unklügste, was es gibt, ist Dank erwarten oder verlangen.“Das sollten sich alle hinter die Ohren schreiben, die den Stoffel Dylan tadeln, der sich bis heute nicht in Stockholm gemeldet hat, um pflichtgem­äß seiner Freude über die große Ehre bla bla bla…

Ein Ausgezeich­neter kann sich nicht wehren – er ist nicht Subjekt, sondern Objekt in diesem Prozedere. Du wirst ja nicht gefragt! Der Dalai Lama kann auch nichts dafür, dass man ihn auserwählt hat. Aber es muss ihm freistehen, wie er reagiert. Jauchzend, artig oder schriftlic­h dankend – oder gar nicht. Es wäre eine Fehlinterp­retation, Bob Dylans Schweigen als Ignoranz zu deuten oder gar als Ablehnung des Preises. MICHAEL SCHREINER Der Mann bleibt sich auch in Ausnahmesi­tuationen treu. Ein Kauz auf Never-ending-tour, der das Maß an Kommunikat­ion mit der Außenwelt selbst bestimmt, wie man von seinen Konzerten weiß. Und ist es nicht die viel bessere Geschichte, dieses wunderbare Vakuum in einer Welt der Geschwätzi­gkeit und des manischen Getwitters und Geplätsche­rs von Antworten, wo nicht einmal eine Frage war. Es ist ein schöner Triumph der persönlich­en Unabhängig­keit, den Bob Dylan uns vor Augen führt. Wo das erwartbare und übliche Danken und Freuen einfach ausbleibt, wächst ein Geheimnis und eine Verunsiche­rung. Im Prinzip überführt Dylan die Aufregung, die die Verleihung des Literaturn­obelpreise­s an ihn, den Songwriter, ausgelöst hat, in einen noblen Nachklang, wie es ihn so noch nicht gab: Stille. Der Nobelpreis, in den Wind geblasen – und kein Echo nirgends. Oh wie wunderbar!

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