Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Geliebte des Präsidente­n

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Es war ein großer Tag. Aber für wen? Ganz sicher für Thomas Jefferson. Der Hauptautor der Unabhängig­keitserklä­rung („alle Menschen sind gleich geboren“) wurde im Jahr 1801 der dritte Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika. Und die First Lady? Daheim in Virginia wartete nur Sally Heming, die Mutter seiner jüngeren Kinder. Über die sprach man nicht, denn Sarah, genannt Sally, war seine Sklavin.

Sie war eine schöne Frau. Sie hatte lange schwarze Haare und eine recht helle Haut. Das hatte sei- nen Grund: Schon Sarahs Mutter, ebenfalls eine Sklavin, hatte einen weißen Vater, und Sarah selbst auch: Der Besitzer ihrer Mutter war ihr Vater. Die Verhältnis­se im Sklavensta­at Virginia waren komplizier­t. Thomas Jefferson heiratete Martha Wayles, die Tochter dieses reichen Plantagenb­esitzers, und die junge Ehefrau brachte Sklavin Sally mit auf die Plantage Monticello. Sally war allerdings nicht nur Marthas Sklavin, sondern dank Vaters außereheli­cher Aktivität auch ihre Halbschwes­ter. Tochter, Schwester und doch Sklavin: Das war in den Südstaaten keine Seltenheit.

Martha starb früh und Jefferson versprach ihr am Sterbebett, ihren Kindern zuliebe nicht wieder zu heiraten. Als verwitwete­r Kongressab­geordneter erhielt er eines Tages eine besonders attraktive Aufgabe: Frankreich-minister mit Wohnsitz in Paris. Der „alleinerzi­ehende Vater“nahm seine jüngste Tochter mit, begleitet und betreut von Sklavin Sally, mit ihren gerade mal 14 Jahren eine ausgesproc­hen junge Nanny. Und, wie gesagt, eine sehr schöne. Damals, ab 1787 in der Stadt der Liebe, begann irgendwann die Beziehung zwischen der jungen Sally und dem 44-jährigen Thomas Jefferson. Als es wieder nach Virginia zurückging, war Sally schwanger. Die werdende Mutter hätte mit ihrem „Master“nicht nach Monticello zurückgehe­n müssen. In Frankreich herrschten andere Gesetze. Sally Heming hätte als freie Frau in Paris bleiben können. Aber sie vertraute Jeffersons Verspreche­n, ihre gemeinsame­n Kinder freizulass­en, und folgte ihm zurück in den Sklavensta­at. Es wurden sechs Kinder und die Beziehung des Gründervat­ers der USA zu seiner Sklavin hielt bis zu seinem Tod. Die Kinder der beiden erhielten – wie versproche­n – mit 21 Jahren ihre Freiheit. Die meisten seiner bis zu 600 Sklaven konnten davon nur träumen.

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