Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ohne Elefanten kein Zirkus
Ära Die „großartigste Show der Welt“gibt es bald nicht mehr. Nach 146 Jahren schließt der berühmteste Zirkus der USA. Tierschützer haben das Ende eingeleitet. Auch in Deutschland?
Washington „Meine Damen und Herren, liebe Jungen und Mädchen ...“: Mit diesen Worten wird im Zirkusrund von „Ringling Brothers and Barnum & Bailey“, dem ältesten und größten Zirkus in den USA, bald kein großer Zampano mehr Jongleure auf dem Hochseil, Tiger, die durch Feuerreifen springen, oder tanzende Pferde ankündigen.
Nach 146 Jahren gibt es schlicht nicht mehr genügend Interesse an dem Spektakel, das der Zirkus selbst die „großartigste Show der Welt“getauft hatte. „Verbunden mit steigenden Betriebskosten lässt sich das Zirkusgeschäft nicht mehr darstellen“, erklärte Unternehmenschef Kenneth Feld für die Eigentümerfamilie, die den Traditionsbetrieb 1967 übernommen hatte. Es war keine leichte Entscheidung für Feld, dessen Unternehmen in den beiden Zirkuskompanien „Circus Extreme“und „Out of this World“zusammen rund 500 Menschen beschäftigt. Den letzten Stoß habe dem Geschäft die nicht ganz freiwillige Pensionierung der Elefanten vor einem Jahr gebracht. Der Zirkus hatte die Auftritte der Tiere aus dem Programm gestrichen, nachdem Tierschutzorganisationen massiv öffentlichen Druck ausgeübt hatten. „Das verschärfte unsere Probleme.“
Tierschützer organisieren seit Jahren Proteste gegen „Ringling Brothers“, um auf die Behandlung der Zirkustiere aufmerksam zu machen. Parallel dazu zogen die Aktivisten vor Gericht. Obwohl sie dort 2014 in einem viel beachteten Prozess verloren und fast 25 Millionen Dollar an Schadenersatz entrichten mussten, siegten Peta und die Schutzorganisation Humane Society an einer anderen Front: Sie hatten die öffentliche Meinung auf ihrer Seite. „Es wird nicht länger akzeptiert, dass wilde Tiere von Stadt zu Stadt reisen, um lächerliche Nummern vorzuführen, zu denen sie gezwungen wurden“, meint Aktivist Wayne Pacelle. „Das war die traurigste Schau der Welt“, kommentierte auch Peta der Entscheidung in einer Erklärung. „Andere Tier-zirkusse, Straßenshows und Ausstellungen wilder Tiere sollten genau hinschauen“, riet Peta deren Betreibern. „Die Gesellschaft hat sich geändert.“
In jedem Fall geht eine amerikanische Institution zu Ende. Nach fast 150 Jahren kommen auch die Zirkus-züge zum Stillstand, mit denen die Tiere und das Equipment seit jeher durch die Lande reisen. Inklusive eines Waggons, der als Schulraum für die Kinder der Zirkusleute diente. Ihre letzte Show geben die Artisten am 7. Mai.
In Europa haben es Zirkusse mit Wildtieren heute ebenfalls schwer. In mehr als einem Dutzend Euländern ist die Haltung von Wildtieren im Zirkus nur unter strengen Auflagen erlaubt oder ganz verboten – in Österreich oder Belgien etwa. In Deutschland hatte sich der Bundesrat vor fast einem Jahr einer Initiative mehrerer Bundesländer angeschlossen, Wildtier-nummern in Zirkussen ganz zu verbieten. Jetzt muss sich die Bundesregierung mit der Sache beschäftigen. Einzelne Städte – zuletzt etwa Ulm – haben schon jetzt Verbote ausgesprochen. Die Zirkusse fürchten um eine wichtige Existenzgrundlage. Frank Keller, Pressesprecher des berühmten Circus Krone, sagte unserer Zeitung nach dem Votum des Bundesrats: „Die Politiker können sehr gerne bei uns vorbeischauen und sich ein Bild vor Ort machen. Dann würden sie sehen, dass die Tiere keineswegs leiden.“