Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er will Grundeinkommen für alle
Frankreich Bei den Vorwahlen der Sozialisten siegt ein Außenseiter mit linkem Profil. Ex-premierminister Valls muss zittern
Paris Was haben die Konservativen und die Sozialisten in Frankreich gemeinsam? Zumindest eines: Ihre Wähler lieben die Überraschung. So wie sich bei der parteiinternen Kandidatenkür der Republikaner völlig unerwartet François Fillon gegen die von den Meinungsforschern gesetzten Favoriten Alain Juppé und Nicolas Sarkozy durchsetzen konnte, so erscheint auf der Linken nun Benoît Hamon als der lachende Dritte. Der 49-jährige frühere Erziehungsminister und Vertreter der Parteilinken geht nun als Favorit in die zweite Runde am nächsten Sonntag.
Alle, die den autoritären Parteirechten und Ex-premierminister Manuel Valls ablehnten, aber auch die großspurige Theatralik des Globalisierungskritikers Arnaud Montebourg, machten bei der ersten Runde der sozialistischen Vorwahl ihr Kreuzchen bei dem jugendlich wirkenden Hamon. Mit 36 Prozent der Stimmen ging er als deutlicher Gewinner hervor – Valls landete fünf Prozentpunkte hinter ihm. Hamon interpretierte das Ergebnis am Wahlabend als „klare Botschaft der Hoffnung und der Erneuerung“.
Seine Chancen auf einen Sieg in der Stichwahl gegen Valls steigen durch die Unterstützung seines Gesinnungsgenossen Montebourg. Beide mussten im Sommer 2014 gleichzeitig die Regierung verlassen, weil sie zu oft und zu laut den wirtschaftsliberalen Kurs von Premier Valls und Präsident Hollande kritisiert hatten. Hollande hatte Hamon zunächst zum Beigeordneten Minister für soziale Ökonomie und Solidarität, anschließend zum Bildungsund Hochschulminister gemacht, um dem linken Parteiflügel
Jeder Bürger soll vom Staat 750 Euro im Monat erhalten
eine Stimme zu geben. Der in der Bretagne geborene Sohn einer Sekretärin und eines Ingenieurs arbeitete zeitweise als Direktor für strategische Entwicklungen beim Marktforschungsinstitut Ipsos. Vor Hollandes Wahlsieg 2012 fungierte er vier Jahre als Sprecher der Partei, er ist außerdem Abgeordneter der Nationalversammlung und Eu-parlamentarier.
Hamon legt Wert auf die Sozialund die Umweltpolitik. Im Wahlkampf gelang es ihm, mit seiner Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen von bis zu 750 Euro für jeden Bürger eines seiner Themen in den Mittelpunkt zu rücken. Wie er das im Detail finanzieren will, erklärte er aber nicht. Auch seine Forderungen nach einer Verringerung der Arbeitszeit, Erhöhung des Mindesteinkommens und Anerkennung von Burn-out als Berufskrankheit kamen bei seiner Zielgruppe an, die überwiegend aus jüngeren, städtischen Wählern besteht. Der unverheiratete Vater zweier Kinder wirkt sympathisch, er joggt gerne und spielt Rugby. Aber hat er das Zeug zum Staatschef?
So weit wird er es vielleicht gar nicht bringen. Der Partei winkt – laut derzeitigen Umfragen – ein enttäuschender fünfter Platz hinter den Republikanern, der Front-national-chefin Marine Le Pen, dem Linkspopulisten Jean-luc Mélenchon sowie dem liberalen Ex-wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der mit seiner eigenen Partei „En marche!“(„In Bewegung!“) antritt.