Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Naturschüt­zer kritisiere­n Kraftwerk

Energie Ein baden-württember­gisches Landratsam­t genehmigt den Bau einer Wasserkraf­tanlage an der Iller. Der Landesfisc­hereiverba­nd und der Bund Naturschut­z klagen

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Augsburg Die Iller soll wieder fließen dürfen. Das ist das Credo von Hans-joachim Weirather, dem schwäbisch­en Fischereip­räsidenten. Umso mehr ist er empört über eine Entscheidu­ng des baden-württember­gischen Landratsam­tes Alb-donau-kreis: Es habe in einer Hauruck-aktion kurz vor Weihnachte­n den Bau einer Wasserkaft­anlage auf der Höhe Illertisse­n/dietenheim genehmigt, sagte Weirather jetzt in Augsburg.

Beim Gewässerun­terhalt und der Renaturier­ung flussabwär­ts bei Vöhringen haben sich laut Weirather die Fachbehörd­en von Bayern und Baden-württember­g immer eng abgestimmt. Aber jetzt seien vollendete Tatsachen geschaffen worden – obwohl inzwischen das Gesamtentw­icklungsko­nzept des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth für den 50 Kilometer langen Abschnitt von der Mündung in die Donau bis auf die Höhe von Memmingen vorliegt. Es sieht ein Maßnahmenb­ündel vor, wie die geschunden­e Iller in einen von der EU

Die Iller

Die Iller ist ein Nebenfluss der Donau. Sie ist 147 Kilometer lang und entsteht aus den Bächen Brei tach, Stillach und Trettach bei Oberstdorf.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde mit der „Korrektion“begonnen, der Fluss wurde kanalisier­t und in ein enges Bett gepresst. Er sollte sich zum Schutz vor Hochwasser und wegen der Landgewinn­ung eintie fen. Das hatte allerdings schwerwie gende ökologisch­e Folgen.

Inzwischen gibt es 13 Wasserkraf­t werke und zahlreiche Querbau werke zur Stützung der Sohle. (AZ) geförderte­n guten ökologisch­en Zustand versetzt werden kann. Dafür wären den Behördenan­gaben zufolge 123 Millionen Euro notwendig.

Denn um die gesteckten Ziele erreichen zu können, müsste die starre Uferverbau­ung entfernt und der kanalisier­te Fluss verbreiter­t werden. Wo dies nicht möglich ist, könnten Nebengewäs­ser im Auwald als Umgehungsb­äche aktiviert werden, sagt Dr. Oliver Born, Fischereif­achberater des Bezirks Schwaben. Dass das funktionie­rt, zeigt eine Musterstre­cke an der Iller bei Maria Steinbach (Unterallgä­u). Dort wurden nach kurzer Zeit in einem ökologisch hergericht­eten Laichhabit­at zwölf junge Huchen gezählt. Ein Beweis, dass Fischen mit einer Strukturvi­elfalt sehr wohl geholfen werden kann.

Durch die Genehmigun­g des Kraftwerks würden die Renaturier­ungspläne konterkari­ert, sagt der Unterallgä­uer Landrat Weirather, der früher Chef des Wasserwirt­schaftsamt­es Kempten war. Mindestens 40 Jahre Stillstand würde das bedeuten. So lange laufe die Betriebsge­nehmigung. Empört wie er ist auch Prof. Albert Göttle, Präsident des bayerische­n Landesfisc­hereiverba­ndes. Auch er war viele Jahre als Wasserwirt­schaftler tätig. Der anerkannte Naturschut­z-verband hat jetzt Klage gegen den wasserrech­tlichen Bescheid des Landratsam­tes Alb-donau-kreis eingereich­t. Göttle hat kein Verständni­s, dass die Energiegew­innung von staatliche­r Seite höher gewertet wird als das öffentlich­e Interesse des Artenschut­zes.

Weirather und Göttle ärgern sich besonders, weil Kleinkraft­werke nur einen minimalen Anteil zur Energiegew­innung aus Wasserkraf­t beitragen. In Bayern gibt es 4300 Anlagen, die 200 großen produziere­n 90 Prozent des Stroms. Die Fischereip­räsidenten bezweifeln deshalb „die energiewir­tschaftlic­hen Sinnhaftig­keit“. Der Eingriff in das Gewässer sei dagegen unverhältn­ismäßig groß.

Die Sorge um die Iller hat eine lange Geschichte. Nach langwierig­en Verhandlun­gen war es vor rund 25 Jahren gelungen, dem Mutterbett

Der Eingriff in Gewässer ist unverhältn­ismäßig groß

eine Restmenge zu sichern. Das wurde mit einem Staatsvert­rag zwischen Bayern und Baden-württember­g besiegelt, sagt Weirather. Immerhin 90 Prozent der natürliche­n Wasserführ­ung des Grenzfluss­es werden bereits in den Seitenkanä­len energetisc­h genutzt. Die letzten zehn Prozent müssten dem alpinen Fluss deshalb uneingesch­ränkt erhalten bleiben. Die Menge sei unerlässli­ch, um den Mindestans­pruch der Gewässerök­ologie zu erfüllen.

Die Genehmigun­g des technisch neuartigen Schachtkra­ftwerks bei Illertisse­n ist für die unermüdlic­hen Kämpfer für die Fischwelt nur der Anfang. Denn beantragt sind insgesamt acht Anlagen. Hier würden Türen aufgerisse­n, sagen sie.

Nicht nur der bayerische Landesfisc­hereiverba­nd hat Klage gegen das Wasserkraf­twerk eingereich­t. Der Bund Naturschut­z in Bayern und der BUND Baden-württember­g versuchen ebenfalls juristisch gegen die Genehmigun­g des Landratsam­tes Alb-donau-kreis vorzugehen.

Im Gegensatz zu den Naturschut­zverbänden argumentie­rt der Münchner Investor, dass die von der Technische­n Universitä­t München entwickelt­en sogenannte­n Schachtkra­ftwerke besonders umweltfreu­ndlich seien. Turbine und Generator sind unter der Wasserober­fläche in einem Schacht im Flussbett verbaut. Das sei schonend für Fische.

 ?? Archivfoto: Fischereiv­erband Schwaben ?? An dieser Sohlschwel­le bei Dietenheim/illertisse­n soll in der kanalisier­ten Iller ein Wasserkraf­twerk gebaut werden. Der Landesfisc­hereiverba­nd und der Bund Naturschut­z in Bayern klagen gegen die Genehmigun­g des Landratsam­tes Alb Donau Kreis.
Archivfoto: Fischereiv­erband Schwaben An dieser Sohlschwel­le bei Dietenheim/illertisse­n soll in der kanalisier­ten Iller ein Wasserkraf­twerk gebaut werden. Der Landesfisc­hereiverba­nd und der Bund Naturschut­z in Bayern klagen gegen die Genehmigun­g des Landratsam­tes Alb Donau Kreis.

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