Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
München im Rossini Glück
Oper „Semiramide“hat alles, womit eine Star-sopranistin brillieren kann
München Letzten Herbst, als Meryl Streep im Kino in der Rolle der Florence Foster Jenkins zu sehen war, gab es zeitgleich auch eine Filmdoku über diese „schlechteste Sängerin der Welt“– wunderbar schauerlich dargestellt von der in Wirklichkeit wunderbar singenden Starsopranistin Joyce Didonato. Ob Foster Jenkins sich je an der Partie der Semiramide aus Gioacchino Rossinis gleichnamiger Oper versucht hat, ist nicht überliefert. Das Ergebnis aber müsste ein Spektakel sondergleichen gewesen sein – hört man sich jetzt in München an, was Joyce Didonato als Semiramide stimmlich zu leisten hat: pausenlose vokale Achterbahnfahrten, gewaltige Sprünge, endlose Ketten von Verzierungen.
Rossini, hierzulande vorwiegend als Schreiber leichter Musikkomödien im Bewusstsein, hat eine ganze Reihe dramatischer Opern verfasst. Dazu gehört auch „Semiramide“(1823) um die altorientalische Königin gleichen Namens. Einst hat sie mithilfe Assurs ihren Mann ermordet, ihr Sohn verschwand auf ungeklärte Weise. Nun kehrt dieser unter dem Namen Arsace so unwissend wie unerkannt zurück. Semiramide will ihn zum Mann, doch das will wiederum Assur verhindern, und so entfaltet sich die Handlung, in die noch weitere Figuren und Interessen verflochten sind, in ödipaler Explosivität. Für Rossini eine Steilvorlage, hatte er hier doch Gelegenheit, alle nur erdenklichen Leidenschaften in Musik zu setzten, was bei ihm vorzugsweise heißt: in Gesang.
Inszeniert für die Bayerische Staatsoper hat das selten aufgeführte Stück ein alter Bekannter: David Alden war unter der früheren Intendanz von Peter Jonas einer der Protagonisten der Münchner Händelrenaissance. Seine einstige Lust zum szenischen Gegen-den-strichbürsten vermisst man allerdings bei der „Semiramide“, Alden beschränkt sich hier hauptsächlich aufs Bebildern. Lokalisiert ist das Geschehen in einem heutigen, sichtlich orientalischen Umfeld, das jedoch hinreichend Anspielungen bereithält für Despotien jeglichen Orts und jeglicher Zeit. Kein Zufall wohl, dass die von Bühnenbildner Paul Steinberg an die Wände beorderten Gemäldeschinken den Ex-regenten des Landes mit hervorstechend gelbblonder Haartolle zeigen ...
Musikalisch ist diese Produktion eine Wucht. Wegen Joyce Didonato, die die Künstlichkeit des verzierten Gesangs in reinen Gefühlsausdruck umzuwandeln versteht; wegen stimmlich nicht weniger agiler Sängerkollegen wie Daniela Barcellona (in der Hosenrolle des Arsace), Alex Esposito (Assur) und Lawrence Brownlee (Idreno). Ganz wesentlich aber auch wegen des Hausdebütanten am Pult: Michele Mariotti dirigiert Rossini voller Wärme und Lockerheit, ohne die Musik dieses Operndramas je zu leichtgewichtig zu nehmen. Dazu ein trennscharfes, blitzendes Staatsorchester, ein auch im Leisen packender Chor: Eine Produktion, die den Besuch vor allem für Gesangsliebhaber lohnt, auch wenn dafür vier Stunden Sitzfleisch erforderlich sind.
Aufführungen Im Nationaltheater wieder am 15., 18., 23., 26. Februar