Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Humanitäre Visa sind keine Pflicht
Botschaften dürfen Flüchtlinge abweisen
Luxemburg Eu-staaten müssen in ihren Auslandsbotschaften keine sogenannten humanitären Visa ausstellen, damit Flüchtlinge dann vor Ort einen Asylantrag stellen können. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EUGH) gestern in Luxemburg. Demnach steht es den Staaten frei, ihre Einreisevisa nach nationalem Recht zu vergeben. Denn Visa zum Zweck eines Asylantrags würden die gesamte Euflüchtlingspolitik beeinträchtigen. Das Gericht machte mit seiner Entscheidung die Hoffnungen von Flüchtlingen auf eine sichere und legale Einreisemöglichkeit in die EU zunichte.
Konkret ging es um eine christlich-orthodoxe Familie aus Aleppo in Syrien. Die Eltern und ihre drei Kinder hatten in der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut Visa beantragt, um in Belgien einen Asylantrag stellen zu können. Der Familienvater gab an, er sei in Syrien von einer bewaffneten Gruppe entführt und gefoltert worden, bis er gegen Lösegeld frei kam. Wegen ihres Glaubens drohe der Familie weitere Verfolgung. Das belgische Ausländeramt lehnte die Visaanträge ab. Die Eu-mitgliedstaaten seien nicht verpflichtet, alle Menschen aufzunehmen, die eine katastrophale Situation erlebten. Auf Klage der Familie riefen die belgischen Gerichte in einem Eilverfahren den EUGH an.
Wegen seiner großen Bedeutung für die Eu-flüchtlingspolitik befasste sich dort die 15-köpfige Große Kammer mit dem Streit. Sie betonte, Eu-recht regle bislang nur Durchreise- und Touristenvisa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen. Bei einer Einreise für einen Asylantrag gehe es aber um einen im Eu-visakodex nicht geregelten längeren Aufenthalt. „Die Anträge der syrischen Familie fallen daher allein unter das nationale Recht“, erklärten die Luxemburger Richter.
Wie der EUGH entschied, können sich die Flüchtlinge auch nicht auf die Eu-grundrechtecharta berufen. „Da die in Rede stehende Situation nicht vom Unionsrecht geregelt ist, sind die Vorschriften der Charta nicht auf sie anwendbar.“Im Februar hatte ein Rechtsgutachter des EUGH für humanitäre Visa plädiert. Damit könne Schleusern das Wasser abgegraben werden.