Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Immer Ärger mit den Russen
Ein Krimi, schnell wie ein Pistolenschuss
Kaum zu fassen, dass so viele Verwicklungen auf knapp 190 schmalen Romanseiten Platz haben. Ein Sheriff, der wiedergewählt werden will; ein Russe, der nackt an einen Baum im ländlichen Vermont gefesselt ist; ein Safe, der aus einer einsamen Villa verschwunden ist. So weit der grobe Problemaufriss. Castle Freeman vermengt diesen Plott zu einem herrlich raubeinigen und lakonischen Krimi.
Sheriff Wing ist der Typ brummiger Wortverschlucker mit großem Herzen – so genrehaft, dass er schon fast wie am Reißbrett entworfen wirkt. Aber wie Freeman ihn mit seinen an Kargheit nicht zu überbietenden Dialogen zum Leben erweckt, ist so lässigselbstironisch, dass man sich ihn nicht anders vorstellen kann. Auch die anderen Charaktere – der übereifrige Deputy, der schwierige Schwiegervater, der trottelige Bösewicht –, greifen auf tief im Kopf des Lesers verankerte Schablonen zurück. Die braucht Freeman auch, um sein meisterhaftes Spiel mit Erwartungen und Brechungen durchzuziehen. Überrumpeln wird den Leser vieles in dieser Story – nicht nur die mit dem Rasiermesser von jeder überflüssigen Silbe befreiten Dialoge, wegen der man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Humor, Spannung, Drama: Ein Krimi, der auch deswegen so großartig ist, weil er sich nicht wichtiger nimmt, als er ist.
A. d. Amerikani schen von Dirk van Gunsteren, Nagel & Kimche, 192 S., 19 ¤