Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie ein Banker auf den anderen losgeht

Prozess Nach den Attacken auf den früheren Finanzmini­ster Peer Steinbrück knöpft sich Georg Funke, einstiger Chef der Hypo Real Estate, nun einen Kollegen vor. Er erhebt massive Vorwürfe

- VON STEFAN STAHL

München Auf dem Richtertis­ch steht ein Projektor. Das Gerät ist angeschalt­et. Der Angeklagte verzichtet dann aber doch auf seinen Plan, Grafiken über seine frühere Firma Hypo Real Estate (HRE) seitlich an eine Wand des Saals in München zu projiziere­n. Zu sehr hätten Zuschauer auf den hinteren Plätzen Verrenkung­en machen müssen.

Ansonsten lässt der gescheiter­te einstige HRE-CHEF Georg Funke wenig Gnade mit Gericht und Publikum walten. Der 61-Jährige trägt 210 immerhin mit großen Buchstaben bedruckte Seiten vor, um den Vorwurf zu entkräften, er habe den wahren wirtschaft­lichen Zustand der Bank falsch wiedergege­ben und verschleie­rt. Vorab gelobt der Manager, der derzeit keiner Beschäftig­ung nachgeht: „Ich bemühe mich, dass es nicht langweilig wird.“Seine Stimme schwillt immer mehr an. Endlich kann er reden. Endlich den großen Gegenvortr­ag halten. Die Jahre des Wartens müssen quälend für ihn gewesen sein.

Der Zusammenbr­uch und die Verstaatli­chung der Bank liegen lange zurück. Es geht um die Finanzmark­tkrise der Jahre 2007 bis 2009. Auf dem Tisch, an dem Funke sitzt, steht ein in etwa zur Hälfte gefülltes Glas Wasser. Ist es halb voll oder halb leer? Das wird sich erst in vielen Monaten zeigen, wenn das Urteil fällt. Funke droht eine mehrjährig­e Haftstrafe. Er liest den Text mit Schmackes ab, würde man in seiner Geburtssta­dt Gelsenkirc­hen sagen.

Zwischendr­in ruft Funke wie in früheren Vorstandss­itzungen: „Folie A!“, „Folie B!“aus. Er hat Charts verteilen lassen. Der Manager redet sich immer mehr in Rage: „Man erst die Radarmessu­ng anschauen und dann entscheide­n, ob ein Vergehen vorliegt.“Das sei von den Ermittlern in seinem Fall aber nicht gemacht worden. Sonst hätten sie gemerkt, dass die Bank auch in Krisenzeit­en ausreichen­d flüssige Mittel gehabt habe.

Funke gegenüber sitzt Oberstaats­anwältin Hildegard Bäumlerhös­l. Sie stützt ihr Gesicht mit einer Hand ab und blickt den leidenscha­ftlich seine Unschuld beteuernde­n Wirtschaft­smann fragend an. Die Juristin ist eine der erfolgreic­hsten deutschen Staatsanwä­ltinnen. Sie hat es während des Korruption­sskandals schon mit Siemens-managern aufgenomme­n. Doch Funke scheint keine Angst vor Bäumlerhös­l zu haben. Er zerpflückt die Anklage regelrecht. Phasenweis­e wirkt es, als würde der Skandal- Banker die Staatsanwä­ltin anklagen und mit deren baldiger Verurteilu­ng rechnen. Es hagelt Kritik für Bäumler-hösl und ihr Team. Funke provoziert die Juristin, wenn er behauptet, dass die Ermittler gegen ihn wie mit einer Schrotflin­te vorgegange­n seien: „In der Anklage wurden ohne Quellenang­aben Unzulängli­chkeiten aufgezählt.“

Bäumler-hösl kommt an dem Tag noch glimpflich davon. Richtig ruppig wird Funke gegenüber Männern. Einer erregt besonders seinen Zorn. Josef Ackermann wirft er vor, das Vertrauen der HRE einst massiv missbrauch­t zu haben und mitverantw­ortlich für die Abwicklung der Bank zu sein. Der frühere Chef der Deutschen Bank habe die Hypo Real Estate gegenüber dem damaligen Bundesfina­nzminister Peer Steinbrück „denunziert“. Was Funmuss

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Georg Funke hält am zweiten Tag des Hypo Real Estate Prozesses in München leidenscha­ftlich eine lange Verteidigu­ngsrede.
Foto: Peter Kneffel, dpa Georg Funke hält am zweiten Tag des Hypo Real Estate Prozesses in München leidenscha­ftlich eine lange Verteidigu­ngsrede.

Newspapers in German

Newspapers from Germany