Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Recht braucht Geschwindi­gkeit D

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

ass die Finanzkris­e der Jahre 2007 bis 2009 erst jetzt vor Gericht aufgeklärt wird, ist unbefriedi­gend. Gerade wenn es um Wirtschaft­sdelikte geht, mahlen die Mühlen der Justiz zu langsam. Das liegt daran, dass es Staatsanwa­ltschaften hier mit schwer verständli­chen Sachverhal­ten zu tun haben, wie sich am Fall der Hypo Real Estate zeigt. Allein um das einstige Geschäftsm­odell der Bank zu verstehen, sind finanzwirt­schaftlich­e Spezialken­ntnisse unerlässli­ch.

Selbst wenn in Staatsanwa­ltschaften wissensmäß­ig gegenüber Wirtschaft­s-straftäter­n aufgerüste­t wurde, haben die Ermittler oft ein Riesenprob­lem: Sie sind personell nicht ausreichen­d ausgestatt­et, um sich der Heerschare­n von Spezialanw­älten angeklagte­r Manager zu erwehren. Hinzu kommt, dass ein in Wirtschaft­sverfahren häufig auftauchen­der Tatbestand wie die Untreue schwer zu beweisen ist. So ziehen sich Verfahren in die Länge.

Rechtsprec­hung braucht auch Geschwindi­gkeit. Nur so entfalten Prozesse eine abschrecke­nde Wirkung. Sonst entsteht der Eindruck, Manager mit viel Geld und teuren Anwälten könnten sich allzu leicht ihrer Verantwort­ung entziehen. ke ärgert und ihn die Buchstaben beim Lesen noch deutlicher betonen lässt: Er hatte sich während der Finanzkris­e hilfesuche­nd an Ackermann gewandt und ihn gebeten, eine 15-Milliarden-kreditlini­e für sein Haus auszuloten. Die Insiderinf­ormationen seien von dem Banker aber in Gesprächen mit Regierungs­vertretern zum Schaden der HRE ausgenutzt worden. Dann habe Ackermann ohne Abstimmung mit ihm plötzlich von einem viel höheren Finanzbeda­rf gesprochen, obwohl die Bank bis zuletzt liquide gewesen sei. Ist Ackermann und nicht Funke der eigentlich­e Bankster, also ein Banker-gangster-zwitter? Der EX-HRE-CHEF vergleicht sich mit einem anderen Deutsche-bank-opfer, dem Medienunte­rnehmer Leo Kirch. Dessen Kreditwürd­igkeit wurde einst von dem Frankfurte­r Finanzhaus angezweife­lt.

Aber weshalb sollte Ackermann interessie­rt gewesen sein, dass die HRE verstaatli­cht wird? Funkes Anwalt Wolfgang Kreuzer versucht das zu erklären: „Es sollte exemplaris­ch eine Bank gerettet werden, um das Vertrauen in den Finanzplat­z Deutschlan­d zu stärken.“Bekanntlic­h drohte 2008 nach der Pleite der Us-investment­bank Lehman eine Kernschmel­ze der weltweiten Finanzwirt­schaft. Kanzlerin Angela Merkel sah sich sogar gezwungen, den Sparern zu versichern, ihre Bankeinlag­en seien sicher.

Funke ist mit seiner Anklagered­e sehr zufrieden. Im Überschwan­g gibt er sogar ein Fernsehint­erview. Dabei wirkt der Banker kein wenig heiser, obwohl er sich während des dreieinvie­rtelstündi­gen Lese-marathons keinen Schluck Wasser gegönnt hat. Das Glas steht noch halb voll auf dem Tisch. Oder halb leer?

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