Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Neue Kühe braucht die Stadt
Projekt Die Landschaftspflege schickt in Augsburg wilde Hengste, Schafe und Ziegen auf die Weide. Bald kommen neue Rinder. Warum immer mehr Bauern mitmachen
Früher war es einfach nur ein Acker südlich von Bergheim. In diesem Jahr will die Stadt auf der unscheinbaren Agrarfläche im Wertachtal beim Gut Bannacker ein naturnahes Biotop anlegen. Sobald genug Gras auf den Wiesen wächst, kann Bauer Alois Höfle loslegen. Er wird Vieh auf die Weide schicken – besondere Rinder. In Frage kommen alte Rassen aus der Region, die heute selten geworden sind.
Höfle ist einer der heimischen Landwirte, die mit dem städtischen Landschaftspflegeverband zusammenarbeiten. Der Inninger steigt in ein Projekt ein, das unter dem Titel „Weidestadt Augsburg“läuft und vom Bayerischen Naturschutzfonds gefördert wird. Bei dem Vorhaben geht es darum, bestimmte Weidetiere als lebende Rasenmäher einzusetzen. Sie bewegen sich behutsam auf wertvollen Naturflächen, halten das Gras kurz und fressen teilweise unerwünschtes Buschwerk weg, damit empfindliche und seltene Pflanzen besser wachsen können. So tragen Weidetiere zur Artenvielfalt in der Natur bei.
Bauer Höfle hat den Zuschlag für die neue Beweidung bei Bergheim bekommen, die 2018 starten soll. Im Vorfeld hatte es Bedenken von Jägern und Landwirten gegen das Projekt gegeben. Inzwischen herrscht Einvernehmen. Höfle wurde von der Landschaftspflege unter 13 Bewerbern aus der Region ausgewählt. Er wird die Herde in dem neuen Biotop zusammen mit seiner Tochter Theresa versorgen. Die beiden wollen eine alte und seltene Rinderrasse einsetzen – entweder Murnau-werdenfelser oder Braunvieh: „Wir müssen noch sehen, von welcher Rasse leichter Tiere zu bekommen sind.“
Höfle freut sich schon auf die Zusammenarbeit mit dem Naturschutz. Weidetiere haben auch in Augsburg über Jahrhunderte die Kulturlandschaft geprägt. „Dass wir die Beweidung nun wieder gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband und der Stadt Augsburg einführen, ist für meinen Familienbetrieb eine große Chance“, sagt er. Höfle ist auch davon überzeugt, dass sich das Fleisch der Weiderinder gut über seinen Hofladen in Inningen vermarkten lässt.
Für die Stadt Augsburg ist wichtig, dass auf dem früheren Acker bei Bergheim vielfältige und wertvolle Natur entsteht. Sie hat die Bannacker-fläche mit rund 20 Hektar gekauft, um einen ökologischen Ausgleich für verschiedene Bauvorhaben zu schaffen. Die Beweidung soll dazu beitragen, das künftige Biotop zu erhalten und zu pflegen.
Für die Landschaftspflege werden in Augsburg inzwischen viele verschiedene Weidetiere eingesetzt. Wanderschäfer Josef Hartl aus Mühlhausen und sein Sohn Christian sind seit vielen Jahren im Sommer mit ihrer Herde unterwegs. Die rund 500 Mutterschafe grasen auf den Lechheiden im Stadtwald. Seit letztem Jahr betreuen die Hartls außerdem eine kleine Ziegenherde. Sie wird besonders auf kleineren Biotopflächen mitten in der Stadt eingesetzt.
Im vergangenen Jahr besuchten die Ziegen versuchsweise ein paar Tage die alte Flugplatzheide in Haunstetten beim Landesamt für Umwelt. „Das hat so gut funktioniert, dass wir dieses Jahr weitere Flächen mit ihnen beweiden möchten“, kündigt der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes, Nicolas Liebig, an.
Schon seit 2007 weiden in einem Gehege auf der Königsbrunner Heide Wildpferde. Die Przewalksipferde wurden angeschafft, um den
Wo die Weidetiere zu finden sind
Das ausgeschil derte Gehege befindet sich im lich ten Kiefernwald der Königsbrunner Heide. Ausgangspunkt für die Wan derungen ist der Parkplatz der Sport anlage, Karwendelstraße 2, Königs brunn.
Hochlandrinder Schottische Hoch landrinder weiden in einem Gehege im Schutzgebiet Wolfzahnau, das am Zusammenfluss von Lech und Wert ach liegt. Zugang für Wanderer ist bei der MAN Brücke über die Josef lichten Kiefernwald zu bewahren, der als wertvolles Naturerbe gilt. Die Pferde fressen altes verfilztes Gras weg. So bekommen Kiefernschösslinge mehr Luft und können besser wachsen.
Auch im Augsburger Schutzgebiet Wolfzahnau, das am Zusammenfluss von Lech und Wertach liegt, sind seit 2014 Weidtiere unterwegs. Strauß Straße. Dort befindet sich ein Parkplatz.
Ziegen Die mobile Ziegenherde von Schäfer Hartl soll in diesem Jahr un ter anderem an der Wertach südlich von Inningen und am Pfannenstiel bei der Thommstraße eingesetzt wer den. Wann die Tiere dort unterwegs sind, soll vorher veröffentlicht werden.
Schafe Wanderschäfer Hartl ist im Sommer mit rund 500 Mutterscha fen unter anderem auf den Lechheiden im Stadtwald Augsburg unterwegs. Die Schottischen Hochlandrinder werden auf Initiative der Unteren Naturschutzbehörde eingesetzt. Auch dort sorgte das Projekt zunächst für Ärger in der Bevölkerung. Inzwischen können sich Besucher auf Tafeln über den Sinn und Zweck informieren. „Überall, wo in Augsburg Weidetiere in der Landschaftspflege eingesetzt werden, wollen wir in den kommenden Monaten solche Informationstafeln anbringen“, kündigt Umweltreferent Reiner Erben an.
Er nennt auch noch ein weiteres Ziel: „Wir möchten erreichen, dass Landwirte, die sich für Naturschutz und Landschaftspflege engagieren, davon auch leben können.“Neben gut ausgestatteten Fördertöpfen für die Naturpflege spielt die Vermarktung der Weidetiere eine wichtige Rolle. Der Landschaftspflegeverband hatte 2001 das „Lechtallamm“ins Leben gerufen. Mit der patentrechtlich geschützten Marke sind strenge Produktionskriterien für das Fleisch verbunden.
Die Vermarktung sei leider aus verschiedenen Gründen nahezu eingeschlafen, sagt Erben. Über das Projekt Weidestadt Augsburg soll es nun einen neuen Anlauf geben. Das Büro Ecocept aus Freising arbeitet an dem Konzept mit. Verbraucher sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr in Augsburg wieder zertifiziertes Fleisch vom „Lechtallamm“kaufen können. Schäfer Hartl werde die Produktion an die Richtlinien anpassen, so Liebig.
Lammfleisch Wer schon zu Ostern Lammfleisch vom Wanderschäfer Hartl beziehen möchte, kann das tun unter der Nummer 08207/9638451.