Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wanderdünen und Wahrheit
Ausstellung Christof Rehm ist ein Landschaftsmaler – mit seinem uralten Handy
Kann man mit einem uralten Samsung-handy Landschaftsmaler sein? Christof Rehm sagt ja – er nennt seine aktuelle Ausstellung „borrowed landscapes“, geborgte Landschaften. Fünf auf billigem Recyling-papier gedruckte großformatige Abzüge von Handyfotos hängen in der Galerie. Rehm, der als Künstler seit vielen Jahren mit dem Handy arbeitet, hat seine Landschaftsgemälde abfotografiert aus einem Fotoband mit dem Titel „Wanderdünen“.
Die Bilder, die herausgekommen sind, sind geprägt von Unschärfen, Schatten und verschwimmenden hellen und dunklen Zonen und Flecken. Man sieht die Rasterung der Vorlage, sieht Farbschimmern. Himmel, Strand, Wolken sind mehr zu ahnen als zu erkennen.
Die Buchvorlage stammt von der Fotografin Erna Lendvai-dircksen. Sie hat in der Kurischen Nehrung an der Ostsee fotografiert. Strände, Dünen, Horizonte, Küste. Erschienen ist das Buch 1941 – und Lendvai-dircksen war, während große Fotografen wie August Sander Berufsverbot hatten, eine von den Nazis geförderte Künstlerin, die auch Bildbände mit Titeln wie „Das deutsche Volksgesicht“oder „Das Antlitz des Ostens“herausgab.
Christof Rehm wollte wissen, ob er aus diesen in der Blut-und-boden-ideologie getränkten Fotografien „eigene Landschaften machen kann, ob es auch meine Landschaften werden können“. Sind die hochvergrößerten Ausschnitte aus den Buchvorlagen eigene Landschaften geworden? Zumindest eigene Bildwahrheiten. Rehm: „Seit der Mondlandung wissen wir: Je unschärfer Bilder sind, desto wahrer…“Wo die Wahrheit eines Bildes liegt, an der Oberfläche, in der Tiefe, in Pixeln und Farbschlieren oder ob sie gar nicht zugänglich ist – das herauszufinden lädt der Fotodiskurs ein. Rehms fünfteiliger Arbeit gegenübergestellt ist ein pastoses, farbstarkes Landschaftsgemälde von Harry Meyer, das eine verschneite Berglandschaft zeigt.
Der „Fotodiskurs 9“wirft Fragen auf und ist ein Raum, in dem Antworten gesucht werden können. Wie autonom ist ein Abbild? Was zeichnet das „Malerische“aus? Wie tief ist die Ideologie beim Entstehen eines Bildes diesem eingeschrieben? Was vermag ein neuer Blick freizulegen? Welche Rolle spielt das Auge des Betrachters?
Laufzeit bis 3. April. Donnerstag bis Sonntag 17–19 Uhr. Bergstraße 12. Publikation „Fotodiskurs 9“für 5 ¤