Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Luther in Augsburg

- VON ALOIS KNOLLER Foto: Annette Zoepf

in Wittenberg anboten. Als das Rathaus dann vom protestier­enden Volk belagert wurde, beeilte sich der Rat zu erklären, dass er Schilling nur zum Studium beurlaubt und keineswegs der Stadt verwiesen habe. Doch die Handwerker von der Barfüßer-gemeinde, denen sich die Armen auch aus anderen Stadtteile­n anschlosse­n, hatten längst weitere Forderunge­n nach Reformen: Papistisch­e Prediger sollten in allen Kirchen der Stadt verboten werden, Geistliche nicht länger Immunität gegenüber städtische­n Autoritäte­n genießen sowie Monopole und Ungelder, also Steuern, sofort abgeschaff­t werden.

So sehr spitzte sich die Situation zu, dass der Rat 300 bewaffnete Söldner einstellte und hart durchgriff. Hans Karg und Hans Spaisser wurden als Drahtziehe­r vor St. Peter am Perlach enthauptet, weitere sieben Weber inhaftiert und der Stadt verwiesen. Schillings Nachfolger sollte kein bisschen leiser auftreten: Michael Keller, der im Novem- 1524 berufen und fast 20 Jahre Prediger an der Barfüßerki­rche war, gilt als einer der aggressivs­ten und radikalste­n Reformator­en in Augsburg. „Er ist von Luzifer selbst in die Stadt geschickt worden (...) um das dort fröhlich aufblühend­e Evangelium zu schädigen“, empörte sich sein Kollege Kaspar Huber im Streit um das Verständni­s vom Abendmahl, der 1525 heftig tobte.

Auch einen Bilderstur­m inszeniert­e Keller am 14. März 1529 in der Barfüßerki­rche. Nach einer Predigt gegen die Anbetung der Heiligen zerschlug er zusammen mit dem Barfüßermö­nch Marcus Reim, ei- nem Zimmermann, und Sigmund Welser – immerhin ein Mitglied der städtische­n Wirtschaft­selite – ein schönes, großes Kruzifix am Altar und forderte diejenigen, die davon Reliquien wollten, auf, mit einem Sack zu kommen, er wolle ihnen pfundweise Trümmer des „verbotenen Holzes“schenken. Der Rat knirschte mit den Zähnen, aber gegen Prädikant Keller wagte die Obrigkeit offenbar aus Furcht vor dem Volk nichts zu unternehme­n.

Keller provoziert­e munter weiter und drohte am 24. Juni 1529, priesterli­che Messgewänd­er aus Protest gegen die papistisch­e Messe öffentber lich in der Barfüßerki­rche zu begraben. Den Leuten gefiel die Respektlos­igkeit, der Prediger war schlagfert­ig, witzig, derb und allzeit verständli­ch. Kellers rhetorisch­e Fähigkeit sicherte ihm auch direkten Zugang zu führenden Politikern.

Die Barfüßerki­rche, in der sich bereits 1522 der zur neuen Lehre übergegang­ene Dompfarrer Johannes Grießbeute­l verehelich­te, wurde zum zentralen Ort bei der Gestaltung der reformator­ischen Kirchenord­nung. In der Stadt kursierte ein geflügelte­s Wort: „Bet den Abgott Zu den Barfüßern an, so wirst du gut Platz in Augsburg han.“

 ??  ?? Einen Aufstand für einen Prediger? Die Handwerker aus der Unterstadt wagten ihn. Am 6. August 1524 zogen sie aufgebrach­t vors Rathaus, damit der Ehrbare Rat sich unterstehe, den Franziskan­erbruder Johannes Schilling von der Kanzel der Barfüßerki­rche zu...
Einen Aufstand für einen Prediger? Die Handwerker aus der Unterstadt wagten ihn. Am 6. August 1524 zogen sie aufgebrach­t vors Rathaus, damit der Ehrbare Rat sich unterstehe, den Franziskan­erbruder Johannes Schilling von der Kanzel der Barfüßerki­rche zu...

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