Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rock me, Amadeus
Festival Das Programm fürs Mozartfest im Mai steht, gerade ist die handliche Vorschau erschienen. Sie zeigt, dass die traditionsreiche Klassikveranstaltung neue Ziele hat
Ist das nicht Roger Daltrey? Kantkinn und Lockenpracht, das sind doch die Insignien des Sängers von The Who? Ja – und doch handelt es sich hier nicht um den Frontmann der legendären Rockband, sondern um Steven Isserlis. Auch er Brite, auch er Musiker, wenngleich vom anderen Fach: Der Starsolist spielt das Violoncello.
Das ist, was ins Auge fällt an diesem Porträt auf dem neuen Programmheft zum Mozartfest: Die Zeiten, in denen Klassik-musiker sich ausschließlich in dunklem Tuch und akkurater Krawatte ablichten ließen, die sind vorüber. Jedenfalls beim Mozartfest. Und das hat Methode.
Simon Pickel, der junge, quirlige Leiter des städtischen Mozartbüros, will das Augsburger Traditionsfestival herausholen aus der Ecke des Betulichen. Nicht, dass die Musikdarbietungen
Die Öffnung zu einem jüngeren Publikum
der vergangenen Mozartfeste altbacken gewesen wären, bewahre! Aber das Festival – und das hat der seit eineinhalb Jahren in Augsburg tätige, von auswärts gekommene Pickel scharf erkannt – hat ein Imageproblem wie so viele alteingesessene Klassikveranstaltungen: Es gilt als Festival fürs gediegene Honoratiorenvergnügen, bei dem Schlips und lange Robe ebenso unabdingbar sind wie musikgeschichtliches Basiswissen für den Pausen-talk. Da will Pickel als städtischer Mozart-stratege den Hebel ansetzen, um zu erreichen, was heutzutage alle ein wenig ergrauten Kulturinstitutionen erreichen wollen: die Öffnung hin zu einem breiteren, jüngeren Publikum.
Deshalb ist das neue Programmheft zu dem von der Stadt Augsburg und der Deutschen Mozart-gesellschaft veranstalteten Mozartfest (19.–28. Mai) auch so fetzig aufgemacht mit dem dynamisch aufragenden, signalfarbenen Pfeil vor dem Gesicht von Daltrey-isserlis. Und mit zur Hälfte englischem Festival-motto, damit auch die jungen Leute eingefangen werden: „Spurensuche – Tracking Mozart“.
Aber nicht nur optisch ist dem Programm eine Verjüngungskur verabreicht, auch inhaltlich ist aufgefrischt worden. Wer in dem Heftchen blättert, stößt etwa auf die neu eingerichteten „Mozartpicnics“während des Festivals. Vier Termine im Augsburger Café Picnic, wo nicht nur mit hochkarätigen Festivalkünstlern geplauscht werden kann, sondern dem Publikum auch Gelegenheit gegeben wird, bei – Zitat – „Caramel-macchiato zu entspannen“. Wenn damit nicht gelingt, die Klassik an ein jugendliches Szeneverhalten anzudocken…
Nun ist Simon Pickel freilich kein Eventmanager, sondern ein Musikvermittler, der die Klassik liebt und sich auskennt mit ihr. Und also weiß, dass ein Festival beim Publikum, egal welchen Alters, nur zu punkten vermag, wenn die pfiffige Hülle auch mit handfestem Inhalt gefüllt ist. Mit Veranstaltungen, die mehr als nur das (für Augsburg) Gängige zu bieten haben. Wohl deshalb findet sich gleich auf den ersten Seiten des aktuellen Programmhefts eine Übersicht unter dem Motto „Weltklasse in Augsburg“. Ein Großteil der Künstler des Mozartfests ist hier bereits aufgeführt. Und dass das Alte-musik-ensemble L’arpeggiata, der Cellist Maximilian Hornung und sein Bratschenkollege Nils Mönkemeyer, dass der Windsbacher Knabenchor und Sänger wie Nuria Rial oder Benjamin Appl ein solches Etikett verdienen, daran kann kein Zweifel bestehen.
Mozart beim Mozartfest, das versteht sich. Doch man setzt auch auf Ungewöhnliches. Auf das Reformationsjubiläum wird beim Festival mehrfach Bezug genommen, es wird der Komponisten-jubilare Monteverdi und Telemann gedacht, und wem das alles dann doch wieder zu
Wie wird das Publikum aufs Konzept reagieren?
„oldfashioned“vorkommt, für den gibt es fortschrittlichen Jazz von zwei Meistern ihres Instruments: Michael Wollny (Klavier) und Vincent Peirani (Akkordeon). Oder ein „Celloclubbing“mit vier Cellisten (darunter Maximilian Hornung) und Julian Maier-hauff an den Elektronik-reglern. Steven Isserlis übrigens wird keine Who-klassiker auf dem Cello darbieten, er ist der Solist in Strauss’ „Don Quichote“zum Festival-abschluss.
Wie das Publikum auf das neue Konzept reagieren wird, ob sich jüngere, unterm Strich vielleicht sogar mehr Besucher werden ansprechen lassen, ob sogar endlich einmal eine zusammenhängende Mozartfestivalatmosphäre aufkommen wird – das alles wird sich erst vom Ende her beantworten lassen. Ein Indiz gibt es freilich schon jetzt, dass Simon Pickel auf dem richtigen Weg ist: Der Auftritt von L’arpeggiata zum Auftakt des Mozartfests ist schon seit längerem ausverkauft.
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