Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Vorherrschaft des Digitalen
Ein audiovisuelles Werk Glaspalast
Streicherklänge, Chorgesänge, aus einem Nebel elektronischer Interferenzen herausquellend und doch gleich wieder im digitalen Sumpf verschwindend, bevor überhaupt die Chance besteht, ihrer bewusst habhaft zu werden. Sie kehren wieder, mal verzerrt und wie aus weiter Ferne her schallend, mal fragmentarisch auf- und abtauchend. Ein aussichtsloses Aufbäumen des Analogen gegen die Vorherrschaft des Digitalen, gleichsam ein Soundtrack, der die Erlebnisse eines ganzen Lebens in knappe 40 Minuten packt. Eine Achterbahn der Gefühle, auditiv in Szene gesetzt von dem Augsburger Klangkünstler Markus Mehr und auditiver Teil des audiovisuellen Werkes „Dyschronia“, das am vergangenen Samstag im H2 Zentrum für Gegenwartskunst zur Uraufführung kam.
Seit vielen Jahren schon arbeitet Markus Mehr mit der ebenfalls aus Augsburg stammenden Videokünstlerin Stefanie Sixt zusammen. Das neueste Werk des Künstlerpaares setzt sich wie viele andere zuvor einmal mehr mit den Gefahren der digitalen Welt auseinander – und nutzt dazu digitale Mittel.
Wo Markus Mehrs Klanggebilde den Prozess des Vergänglichen in auditiven Fragmenten widerspiegelt, arbeitet Stefanie Sixt mit korrumpierten elektronischen Bilddateien. „Von Fotos, die beim Archivierungsprozess beschädigt wurden, sind schlicht Linien geblieben“, erklärt die Künstlerin. Doch unter den versierten Händen der Videoartistin wandeln diese Linien zu grafischen Abstraktionen: dreidimensionale Gebilde, die sich im Puls der Klänge bewegen, pulsieren, zuweilen tanzen, sich dabei in einem pausenlosen, sich ruhig vollziehenden Wandel befinden. Farbe spielt eine untergeordnete Rolle in diesem bildgewaltigen Kosmos, dessen Formgebung unablässig moduliert, was die Grenzen der Sehgewohnheiten nahezu sprengt. Sieben Stücke umfasst „Dyschronia“, durch kurze, auditive Interludien voneinander getrennt und doch logisch aufeinander aufbauend.