Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Räuber aus Geldnot
Justiz Ein Mann bedroht die Verkäuferin einer Bäckerei mit einer Soft-air-pistole und flieht, als ihr Chef dazukommt. Auf der Anklagebank sitzt er nun auch wegen eines weiteren Deliktes
Der Angeklagte will einen guten Eindruck machen. Also bittet Strafverteidiger Felix Hägele das Gericht kurz nach Verhandlungsbeginn, ob sich sein Mandant nicht umziehen dürfe. Der junge Mann wolle ein Hemd anziehen, das ihm sein Vater mitgebracht habe. Er wolle im Gerichtssaal nicht die eher triste Knastkluft tragen, die er im Gablinger Gefängnis erhalten hat, wo er in U-haft sitzt. Ein Ansinnen, dem die Dritte Strafkammer am Augsburger Landgericht unter Vorsitz von Daniel Burdach zustimmt. Der Ange- geht also unter Polizeibegleitung raus, wenig später kommt er mit frischem Hemd wieder zurück.
Es ist ein ungewöhnlicher Start in eine Gerichtsverhandlung, aber es ist auch ein ungewöhnlicher Fall. Der Angeklagte ist ein 25-jähriger Augsburger, der im Gerichtssaal unscheinbar und harmlos wirkt. Was er getan haben soll, ist freilich nicht harmlos: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Februar eine schwere räuberische Erpressung und eine versuchte schwere räuberische Erpressung begangen zu haben.
Konkret bedeutet das: Er ging am Februar gegen 21.50 Uhr mit Schal und Kapuze vermummt in eine Esso-tankstelle in Augsburg und bedrohte eine Mitarbeiterin mit einer Soft-air-pistole, die einer echten Waffe ähnelt. Er forderte Geld, die Frau gab ihm 320 Euro heraus, er machte sich davon. Zweieinhalb Wochen später versuchte er es mit gleicher Masche in der Bäckerei Geßwein in Haunstetten.
Am frühen Morgen betrat er den Laden, wiederum vermummt, zückte die Soft-air, richtete sie auf eine Angestellte und sagte „Geld“. Das erbeutete er nicht, da der Bäckermeister dazukam und den beklagte waffneten Mann anbrüllte, der daraufhin wegrannte und wenig später unweit des Tatortes von der Polizei
Vor der Haftrichterin gestand er auch eine andere Tat
festgenommen wurde. Als er später vor die Haftrichterin geführt wurde, räumte der 25-Jährige nicht nur die Tat in der Bäckerei ein, sondern jene in der Esso-tankstelle gleich mit. Soweit zur Vorgeschichte.
Im Gerichtssaal gesteht der 25-Jährige die Vorwürfe. Warum er das alles tat? Er habe Geld ge5. braucht, sagt er, für Lebensmittel und Miete. Er sei die letzten Jahre immer mal wieder als Leiharbeiter für Helfertätigkeiten beschäftigt, vor seinen Taten aber auch längere Zeit arbeitslos gewesen. Die Tankstelle und die Bäckerei habe er zwar gekannt, sei aber kein Kunde gewesen. Bereits im Vorfeld der Verhandlung hatte er Briefe an die Mitarbeiter geschrieben und sie um Entschuldigung gebeten. Gewalt habe er keine anwenden und auch niemanden verletzen wollen, sagt er im Gerichtssaal.
Die Verhandlung wird in kommenden Woche fortgesetzt. der