Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Euphorie folgt Misstrauen
WVON BIRGIT HOLZER enn der neue französische Präsident Emmanuel Macron heute in Berlin eintrifft, wird dort zunächst der Stilwechsel auffallen: Ein junger Politiker der Generation Internet tritt an, der frei von Komplexen den offenen Austausch mit dem Partner sucht. Nach der ersten Euphorie über den Triumph des Pro-europäers Macron, der als früherer Wirtschaftsminister und Präsidentenberater in Berlin ein guter Bekannter ist, kommen dort Befürchtungen vor allzu weitreichenden Forderungen auf: Macron tritt für eine erkennbare Stärkung der Euro-zone mit gemeinsamem Parlament, Finanzminister und Haushalt ein. Schnell zirkulierte die Warnung vor Eurobonds, obwohl er sie gar nicht vorgeschlagen hat. Das zeugt vom Misstrauen, das Macron nun auszuräumen muss.
Macron hat immer betont, seine erste Aufgabe sei es, mit Reformen Frankreichs Wirtschaft wieder stark und wettbewerbsfähiger zu machen. Hier dürfte er volle Zustimmung erhalten. Auf Skepsis stößt dagegen, dass der neue Mann in Paris auch in der EU Tabus brechen will, etwa mit der Idee eines gemeinsamen Budgets der Euroländer, das Investitionen erlaubt und Stabilität garantiert, oder einer tieferen Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung. geprägt war. So begleitete er seinen Vorgänger bis zum Auto, wo er ihn herzlich verabschiedete. Hollande galt als Macrons politischer Mentor, der den früheren Banker zunächst zu seinem Wirtschaftsberater, dann zum Wirtschaftsminister machte.
Hollande selbst hatte sich damals vor fünf Jahren bereits auf der Treppe zum Élysée-palast von Nicolas Sarkozy abgewandt und ließ seinen verhassten Vorgänger und dessen Frau Carla Bruni-sarkozy den Weg über den roten Teppich alleine gehen – der Affront kränkte Sarkozy sehr. Und während vor fünf Jahren neben Hollande auch seine damalige Lebensgefährtin Valérie Trierweiler den Persönlichkeiten und Vertrauten bei der feierlichen Amtseinführung die Hand schüttelte, hielt sich Brigitte Macron im Hintergrund. Das Paar, das ein Wochenendhaus im nordfranzösischen Küstenort Le Touquet besitzt, wird gemeinsam die Gemächer im Élysée-palast beziehen.
Nach der dortigen Zeremonie fuhr Macron in einem offenen Militärwagen die Champs-élysées hinauf, um am Fuß des Triumphbogens die ewige Flamme am Grab des unbekannten Soldaten neu zu entfachen. Hier erklang die Marseillaise, während viele Neugierige das Spektakel aus der Ferne beobachteten. Ab dem Abend, so versprach der neue Präsident, werde er „an der Arbeit“sein, um ein neues Kapitel für Frankreich aufzuschlagen.