Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Geschichten einer fremden Welt
Ausstellung Das Schaezlerpalais zeigt chinesische Hinterglasmalerei aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Schau ist die erste ihrer Art in Deutschland – eine Entdeckung
Klassische chinesische Erzählungen haben zum Teil haarsträubende Wendungen. Ein armer Hauslehrer wird von einer Litschi-schale getroffen. Er blickt nach oben, sieht eine engelgleiche Kurtisane im Oberstock des Hauses und verliebt sich. Für den ersten Besuch bei ihr muss er sich erst einmal Geld leihen. Als beide füreinander entflammt sind, müssen sie ein Hindernis nach dem anderen aus dem Weg räumen, um zueinanderzufinden. Die Geschichte stammt aus dem Liaozhai Zhiyi, einem der großen chinesischen Werke aus dem 18. Jahrhundert. Diese Geschichten waren bekannt und dadurch beliebt als Motive für die chinesischen Hinterglasmaler, die etwa festgehalten haben, wie der Hauslehrer Maˇn die Kurtisane Xìhóu trifft.
Das Augsburger Schaezlerpalais bietet in seiner neuen Sonderausstellung einen Einblick in die wunderbare und fremde Welt der chinesischen Hinterglasmalerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Museum präsentiert gemeinsam mit der Schloss Wernigerode Gmbh erstmals mehr als 100 Hinterglasbilder der süddeutschen Privatsammlung Mei-lin. Laut Kunstsammlungsdirektor Christof Trepesch ist es die erste Ausstellung chinesischer Hinterglasmalerei dieser Zeit in Deutschland.
Manche Motive erklären sich von selbst. Eine Familie in traditionellen Gewändern hat sich Musik nach Hause bestellt: in Form einer Frau, die ihr Grammofon abspielt: der Einbruch der Moderne. Wer mehr über die Hintergründe der farbenprächtigen Bilder erfahren möchte, kann sich über die ausführlichen und präzisen Bildtafeln und die Quervergleiche der in Bildgruppen angeordneten Schau die neuen Bildwelten erschließen. Es ist ein sehenswertes Vergnügen, sich den kunstfertigen Bilder langsam zu nähern.
Laufzeit der Ausstellung „Bolihua“im Schaezlerpalais bis 15. Oktober. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Zur Ausstellung ist auch ein informativer Katalog erschienen: Rupprecht Mayer: Bolihua, Hirmer Verlag, 251 Seiten, 45 Euro.