Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Kavalier mit festem Vertrag
Blick in die Geschichte
HISTORISCHE STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST „Die Promenade“: Ein merkwürdiges Bild, das Giovanni Domenico Tiepolo da gemalt hat. Im Zentrum spaziert eine sicherlich adelige Dame im aufwendigen gelben Gewand wie selbstverständlich untergehakt zwischen zwei Männern. Der Ältere ist der Ehemann, der Jüngere ist der „Cicisbeo“der Dame. Im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert war ein solches Dreigespann keine Seltenheit in den vornehmen Kreisen Italiens.
Der Cicisbeo (sprich: Tschitschisbeo) war ein dienender Kavalier, zugleich Beschützer und Verehrer seiner adeligen Dame. Tiepolos Bild ist ungewöhnlich, weil es alle drei in trauter Gemeinsamkeit zeigt. Die meisten Bilder dieser Art zeigen nur die Dame und ihren Jüngling und damit die Hauptaufgabe des Cicisbeo: Er war ständiger Begleiter und in dieser Rolle eine Art Ersatz-ehemann. Tiepolos Dreierrunde wiederum zeigt, dass der Cicisbeo kein heimlicher Kavalier war, sondern sein Gewerbe ganz offiziell ausübte. Oft war der junge Begleiter bereits namentlich im Ehevertrag aufgeführt. Man kann von einem festen Anstellungsverhältnis sprechen.
Wie kam es zu diesen merkwürdigen Verhältnissen? Das lag an den Ehegepflogenheiten. Ehen wurden in den besseren Kreisen arrangiert wie heute gerne noch im Orient. Der Ehemann ging, so war es die Sitte, nach abgeleisteter Gattenpflicht fern der Angetrauten seiner eigenen Wege. Die halb verlassene Ehefrau hätte züchtig und quasi eingesperrt daheim hocken müssen, hätte sie nicht ihren Cicisbeo gehabt. Mit ihm als Schatten aber konnte sie ein ziemlich freies Leben genießen. Der Cicisbeo begann seine Tagespflichten, indem er ihr bei der Morgentoilette half. Er ging oder fuhr mit ihr spazieren, begleitete sie auf Feste und ins Theater. Und abends lieferte er seine Dame mit unversehrt gutem Ruf wieder zu Hause ab, wo der Ehemann wartete oder auch nicht. Es durfte geflirtet und geschmachtet werden, aber mehr nicht. Mehr nicht? Was zwischen der Dame und dem stets vorhandenen Buben geschah oder nicht geschah, blieb beider Geheimnis. Italienreisende wie Goethe und Lord Byron wunderten sich sehr über diese scheinbar so lockere Cicisbeo-sitte. Der Komödienautor Carlo Goldoni griff sie in seinen heiteren Stücken auf. Der Venedig-roman „Im Licht der Lagune“von Hanns-josef Ortheil hat einen Cicisbeo als Hauptfigur.