Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Stockbrot statt Smartphone
Freizeit Der Stamm „Jakob Fugger“veranstaltete ein Pfadfinderlager im Wittelsbacher Park. Er wollte neugierig machen auf eine Freizeitbeschäftigung, die dem Zeitgeist zu widersprechen scheint. Wirklich?
Stockbrot am offenen Feuer braten, Spuren lesen, ein Gemeinschaftsgefühl schaffen. Die Augsburger Pfadfinder vom Stamm „Jakob Fugger“haben vor Kurzem ihr Lager im Wittelsbacher Park aufgeschlagen. Schon von Weitem sah man auf der Wiese neben dem Spielplatz das aufgespannte Zelt und den Rauch des Lagerfeuers in den blauen Frühsommerhimmel steigen. So war es auch gewollt, denn das Lager sollte neugierig machen. Der Stamm sucht neue Wölflinge – so nennt man die jüngsten Pfadfinder vom siebten bis zum elften Lebensjahr.
Der Leiter und Neugründer des Stammes ist Filmproduzent Norbert Lechner. Als Junge war er selbst Pfadfinder und wollte, dass seine eigenen Kinder ebenfalls diese Erfahrung machen können. Da in der Umgebung kein Stamm zu finden war, gründete Lechner 2008 kurzer Hand selbst einen und sein heute 16-jähriger Sohn Samuel brachte seine Klassenkameraden mit. Inzwischen besteht der Stamm aus 15 Mitgliedern, darunter auch Samuels kleine Schwester Sophia. Für sie ist der Stamm „fast wie eine große Familie“. Man spricht gemeinsam darüber, was man in den Ferien erlebt hat oder spielt drinnen wie draußen Spiele. Ihr Bruder beschreibt, dass durch „die Gemeinschaft eine gewisse Euphorie“entstehe.
Das Interesse an Pfadfindergruppen in Augsburg ist hoch. Der Stamm Jakob Fugger gehört zum interkonfessionellen „Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder“(BDP). Daneben sind in Augsburg vier weitere Verbände vertreten: die katholische „Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg“(DPSG) mit zehn Stämmen, die „Royal Rangers“mit zwei Stämmen und die „Pfadfinderinnenschaft St. Georg“(PSG) sowie der „Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder“(VCP) jeweils mit einem Stamm. BDP, DPSG, PSG und VCP bilden gemeinsam den Ring deutscher Pfadfinderinnen- und Pfadfinderverbände und haben deutschlandweit 200000 Mitglieder. Allein in Augsburger gibt es circa 1000 Mitglieder, über die Hälfte davon eingeschrieben beim DPSG.
Die Mitgliederzahlen der Verbände bleiben seit Jahren stabil – manche Stämme können sogar einen leichten Zuwachs vermelden. Die Kinder verbringen noch genauso gerne Zeit in der Natur wie früher – trotz Smartphone und Computer. Gabriele Großmann vom BDP Bayern schätzt, dass Pfadfindergruppen so beliebt sind „weil sie einen guten Kontrast zur heute üblichen Ganztagsschule bilden“. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Pfadfinder mit 50 Millionen jungen Menschen in fast allen Ländern die größte Jugendbewegung der Welt darstellt. Wie erhofft zog das öffentliche Lager der „Jakob Fugger“im Park neugierige Kinder an. So wie die elfjährige Lilly Ludwigs, die am Feuer saß und ihr Stockbrot backte, während die Eltern Shoppen waren. Ihre Freundin habe ihr von den Pfadfindern erzählt, und sie wolle das „heute einfach mal ausprobieren“.
Was man können muss, um Mitglied in einem Stamm zu werden? Pfadfinder werden kann so ziemlich jeder, meinte der 15-jährige Jannes Naim, ebenfalls beim Stamm „Jakob Fugger“aktiv. Er bemalte gerade das Gesicht eines Mädchens mit bunter Schminke. Man müsse wollen. Und auch Samuel, inzwischen seit acht Jahren Mitglied, betonte, dass es allein auf den eigenen Willen ankomme. Nur nicht zu zimperlich dürfe man sein, warf seine Schwester Sophie noch ein. Denn es komme schon mal vor, dass einem im Zelt Spinnen begegnen.