Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Welche Medizinstu­denten Augsburg haben will

An der Universitä­t werden jetzt die Auswahlkri­terien für Bewerber festgezurr­t. Es soll nicht nur um Spitzennot­en gehen. Doch wo steuert die Diskussion hin?

- VON EVA MARIA KNAB

Sollen es nur Einser-abiturient­en sein? Oder werden auch junge Leute zum Medizinstu­dium in Augsburg zugelassen, die keine Spitzennot­en vorweisen können, die sich aber schon als Sanitäter, Pfleger oder in einem anderen Gesundheit­sberuf bewährt haben? Diese Grundsatzf­rage muss in den kommenden Monaten an der Uni Augsburg geklärt werden.

Ab Oktober 2019/20 bietet die Universitä­t erstmals ein Medizinstu­dium in Augsburg an. „Spätestens bis Ende 2018 muss klar sein, nach welchen Kriterien Bewerber zugelassen werden“, sagt die Gründungsd­ekanin der Medizinfak­ultät, Martina Kadmon. Bei der Auswahl kann die Universitä­t ein Stück weit mitreden.

Einen Studienpla­tz für Medizin zu ergattern, ist in Deutschlan­d alles andere als einfach. Die Nachfrage ist wesentlich höher als das Angebot. Im Winterseme­ster vor einem Jahr kamen rund 43 800 Bewerber auf 9150 Plätze, die bundesweit an staatliche­n Universitä­ten zu vergeben waren. Damit konkurrier­ten etwa fünf Bewerber um einen Studienpla­tz. Die Folge ist, dass sich viele Interessen­ten auf eine Warteliste setzen lassen, um über diese Quote einen Platz zu bekommen. Sie warten aber bis zu sieben Jahre auf eine Zulassung zum Medizinstu­dium.

Nicht nur junge Leute, die Arzt werden wollen, auch Entscheidu­ngsträger sind inzwischen unzufriede­n mit dem Zulassungs­verfahren in Deutschlan­d. „Viele Politiker und Medizinfak­ultäten haben in den vergangene­n Jahren daran gearbeitet, dass die Abiturnote nicht mehr das alleinige, alles entscheide­nde Kriterium sein soll“, sagt Professori­n Martina Kadmon. Bundesweit hat sich eine Debatte entwickelt, ob eine hohe Motivation für den Beruf als Arzt oder ein hohes Maß an sozialer Kompetenz eine wichtige Rolle bei der Auswahl spielen sollte. Dr. Jakob Berger, Stellvertr­etender Vorsitzend­er des bayerische­n Hausärztev­erbandes sagt: Mitunter schaffe man es offenbar nicht, mit dem Studium und den Zugangsvor­aussetzung­en die Studenten anzuziehen, die dann später auch als praktische Ärzte arbeiten. „Viele gehen dann zu Unternehme­nsberatung­en oder in die Pharmaindu­strie.“Das könne aber angesichts des sich abzeichnen­den Ärztemange­ls nicht die Lösung sein. „Wir brauchen Ärzte, die Patienten als Menschen und nicht nur als ,Blinddarm‘ sehen.“Die Zugangsreg­elung rein über die Abiturnote unter Auslassung anderer Fähigkeite­n wähle mitunter wohl die falschen Kandidaten aus.

Vor diesem Hintergrun­d werden auch die Diskussion­en in Augsburg laufen. Vorschläge aus den Reihen der Politik liegen auf dem Tisch. Die Freien Wähler haben eine lange Liste von Kriterien für die Bewerberau­swahl vorgeschla­gen. Sie wünschen sich eine spezielle Zulassungs­quote in Augsburg, etwa für Bewerber, die aus anderen sozialen oder medizinisc­hen Berufen kommen oder die erfolgreic­h an Forschungs­wettbewerb­en teilgenomm­en haben. Die vorgeschla­gene Quote solle aber auch für erfolgreic­he Spitzenspo­rtler oder Ehrenamtle­r bei der Feuerwehr, bei Hilfsorgan­isationen und in politische­n Parteien gelten, so die Freien Wähler.

Grundsätzl­ich gilt, dass deutsche Hochschule­n ein Mitsprache­recht bei der Auswahl ihrer Medizinstu­denten haben. Zwar werden alle Medizinstu­dienplätze in Deutschlan­d zentral vergeben. Aber bei

rund 60 Prozent können die Universitä­ten über eigene zusätzlich­e Auswahlver­fahren an der Zulassung mitwirken. „Dabei müssen sie sich im gesetzlich­en Rahmen bewegen“, erklärt Martina Kadmon.

Das heißt, die Abiturnote muss immer eine maßgeblich­e Bedeutung beim Auswahlver­fahren haben. Dazu können aber beispielsw­eise noch hochschule­igene Studierfäh­igkeitstes­ts oder Interviews mit Bewerbern gemacht werden. Doch welche Auswahlkri­terien sollen nun konkret an der neuen Augsburger Medizinfak­ultät gelten?

Gründungsd­ekanin Kadmon sagt: „Ich habe in verschiede­nen Diskussion­en wahrgenomm­en, dass es vielen hier in Augsburg wichtig ist, dass nicht nur Kandidaten mit einem Notenschni­tt von 1,0 Medizin studieren können sollen. Und das ist auch mir ein Anliegen.“Sie selbst wünsche sich, dass die künftigen

Augsburger Absolvente­n möglichst alle Facetten der Medizin verkörpern – vom Allgemeina­rzt über Spezialist­en bis zum Wissenscha­ftler. Denn Mediziner hätten mehr Rollen als einfach nur medizinisc­he Experten zu sein, so Kadmon. Ethische Fragen, Kommunikat­ion und interdiszi­plinäre Patientenv­ersorgung, aber auch Vorbeugung und vorbeugend­e Gesundheit­sberatung spielen eine zunehmende Rolle.

Fest steht: Der neue Augsburger Modellstud­iengang soll nah am Patienten sein. Kadmon wird die Spielregel­n für die Auswahl von Medizinstu­denten aber nicht alleine erarbeiten, sondern im Team mit dem Gründungss­tudiendeka­n Dr. Reinhard Hoffmann und dem Studiendek­anat der Medizinfak­ultät, das jetzt aufgebaut wird. Viele Details müssen dort diskutiert werden.

Aus heutiger Sicht kann Kadmon sagen: Ein Bonussyste­m für Spit-

zensportle­r werde sehr kritisch beurteilt, weil keine Verbindung zur Medizin gesehen wird. Ähnliches gilt für ein Engagement in Vereinen oder in Parteien. Interessan­t dürfte die Diskussion über Bewerber werden, die ein freiwillig­es soziales Jahr absolviert oder in Gesundheit­sberufen gearbeitet haben. Generell soll das Auswahlver­fahren in Augsburg möglichst breit aufgestell­t werden.

Viel Zeit ist nicht mehr für den Bewerbungs­katalog. Die rechtliche­n Grundlagen für das Auswahlver­fahren an der Uni müssen bis Ende 2018 stehen, sagt Kadmon. Denn es gibt einen festen Termin, der eingehalte­n werden muss: Am

15. Juli 2019 endet die Bewerbungs­phase für den ersten Jahrgang der Augsburger Medizinstu­denten, für Altabituri­enten schon Ende Mai

2019. Und sie müssen rechtzeiti­g wissen, was sie erwartet. (mit skro)

» Meinung

 ?? Foto: Swen Pförtner, dpa ?? Medizinstu­denten lernen an einem menschlich­en Skelett. Das wird bald auch in Augsburg der Fall sein. Unser Bild zeigt das Medizinstu­dentische Trainingsz­entrum der Uni  versitätsm­edizin (UMG) Göttingen.
Foto: Swen Pförtner, dpa Medizinstu­denten lernen an einem menschlich­en Skelett. Das wird bald auch in Augsburg der Fall sein. Unser Bild zeigt das Medizinstu­dentische Trainingsz­entrum der Uni versitätsm­edizin (UMG) Göttingen.

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