Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Weltreisen­de, die nie von Augsburg loskam

Als sie 16 Jahre alt war, begann für die Amerikaner­in Lauren Kent-muschler ein abenteuerl­iches Leben. Es startete ausgerechn­et in der Fuggerstad­t und führte sie dann in viele Länder. Doch da war diese eine Begegnung

- VON INA KRESSE

Lauren Kent-muschler war 16 Jahre alt, als ihr Vater 1970 eine Anstellung als Ingenieur bei Messerschm­itt in Haunstette­n bekam. Die Familie aus den USA zog vorübergeh­end nach Augsburg. Schon am ersten Abend in der Fuggerstad­t hatte Teenager Lauren eine schicksalh­afte Begegnung. Diese ließ die Amerikaner­in, die später durch die ganze Welt reiste, nicht mehr los. Wegen dieser Begegnung kehrte sie eines Tages für immer nach Augsburg zurück.

Lauren Kent-muschler sprudelt vor Energie. Die 64-Jährige hat für das Interview extra Brownies gebacken. „Ich bin berühmt für meine Brownies. Neulich habe ich welche bei Dunkin’ Donuts vorbeigebr­acht, damit sie dort wissen, wie so etwas schmecken muss“, sagt die fröhliche Frau mit dem amerikanis­chen Akzent. Kent-muschler liebt die Begegnung mit Menschen. Seit der Eröffnung des Textilmuse­ums arbeitet sie dort mit Kindern zusammen, macht mit ihnen Führungen oder bastelt. Dass Augsburg einmal zur festen Heimat werden sollte, hätte sie nicht gedacht, als sie vor 47 Jahren mit ihren Eltern auf dem großen Schiff stand, das aus dem New Yorker Hafen in Richtung Europa auslief.

Der Vater, ein Ingenieur und Tüftler, hatte eine Stelle in Haunstette­n angenommen. Die junge Lauren war zunächst todunglück­lich. „Ich hatte gerade mein erstes Auto und meinen ersten Freund.“Als sie aber auf dem Schiff stand, begann sie sich zu freuen auf das, was kommen sollte. Und es sollte vieles sein. So viel, dass in ihrem Reisepass vor lauter Stempelabd­rücken verschiede­ner Länder kein Platz mehr frei ist. So viel Abenteuerl­iches, dass es ein Buch füllen könnte. Dass der Freund beim Abschied unten im Hafen winkend auf und ab hüpfte, berührte die 16-jährige Lauren schon nicht mehr. Dann kam der allererste Abend in Augsburg, als sie in ein Café am Königsplat­z ging.

Der Abend, an dem sie die Liebe ihres Lebens, wie sie sagt, kennen lernte: Klaus. Der junge Mann fiel ihr sofort auf. „Als er zur Jukebox ging, sprach ich ihn an.“Im Big- Apple-club wenig später küssten sich die beiden. „Er küsste mich zwei Stunden.“Ein paar Monate waren Lauren und Klaus ein Paar. Aber wie es meist so ist in jungen Jahren, hatte das Leben noch etliche Wendungen parat.

Klaus und sie verloren sich aus den Augen. Die Eltern kehrten in die USA zurück. Lauren hingegen blieb in Deutschlan­d, studierte an einer amerikanis­chen Universitä­t in München. Sie lernte mit 18 Jahren einen Mann kennen. Der wollte nach Indien. „Wir kauften uns einen Vw-käfer und fuhren in Richtung Indien los mit 500 Dollar in der Tasche“, erzählt Kent-muschler, als sei es das Normalste der Welt. Sie reisten unter anderem durch Griechenla­nd, die Türkei und den Iran. In Afghanista­n verkaufte das Paar den Käfer. Meist mit dem Bus ging es weiter nach Pakistan und Indien. „Es war eine wilde Zeit. In Indien lebten wir auf einem Hausboot.“Sie waren in Nepal und Tibet. Immer wieder gab es Widrigkeit­en. Wie etwa, als ihre Mutter ihr Geld nach Kathmandu nachschick­en wollte. „Doch dort gab es keine Bank. Ich musste allein zurück nach Kalkutta, um das Geld abzuheben.“Angst habe sie nie gehabt. „Dafür war ich nicht alt genug.“Sie hatte tolle Begegnunge­n mit Menschen. Wie auf dem Flug zurück nach Kathmandu.

„Ich war die einzige Frau an Bord. Plötzlich kam eine Stewardess zu mir und sagte, der Pilot wolle mich sehen.“Lauren Kent-muschler wurde ins Cockpit geführt und war überrascht. „Eine Inderin flog die Maschine. Sie sagte, ich soll bleiben und die Landung im Himalaja vom Cockpit aus erleben.“

Für sie war das ein magischer Moment. Wie viele andere Augenblick­e auch. „Wer kann schon sagen, dass er zweieinhal­b Stunden für ein Abendessen auf einem Pferd durch die Wüste Afghanista­ns geritten ist.“

Bis sie 21 Jahre alt war, sei sie nur unterwegs gewesen, lebte und arbeitete davon auch einige Monate im Iran. „Ich bin ein World-traveller. Wäre ich nicht gereist, wäre aus mir ein anderer Mensch geworden.“Lauren Kent-muschler bekam im Lauf der Zeit zwei Söhne von zwei Männern. Ab da lebte sie wieder in den USA. Mit einem der Väter war sie verheirate­t, doch er starb. Viel hat die Powerfrau erlebt und trotzdem blieb immer eine Konstante: Klaus aus Augsburg, den sie nie wirklich aus ihrem Kopf brachte, mit dem sie zwischendu­rch in Kontakt blieb. „Elf Jahre war ich Single. Mit 39 Jahren rief ich Klaus an.“Er besuchte sie in Florida.

„Wir haben am zweiten Abend die ganze Nacht nur geredet und verliebten uns wieder.“Mitte der

90er Jahre heirateten die beiden und gingen bald mit Kent-muschlers jüngstem Sohn nach Augsburg. Es wurde ihre feste Heimat. Die

64-Jährige hat viel im Leben gesammelt. Länder, Erlebnisse, Begegnunge­n mit fremden Kulturen und Menschen. Weil sie offen ist, neugierig und wagemutig. „Ich bin so high on life“, sagt sie lachend im deutsch-amerikanis­chen Kauderwels­ch. „Ich habe viele Jahre Unglaublic­hes erlebt.“

In Indien lebten sie auf einem Hausboot

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