Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Syrien schafft die Sensation
2:2 gegen den Iran – und eine Riesenfreude für das Land, das seit Jahren unter dem Bürgerkrieg leidet
Teheran/damaskus Als schon alles vorbei schien, stürmte Syriens Nummer neun plötzlich unbedrängt in den Strafraum. Von halbrechts zog Omar al-soma ab. Der Ball rollte erst durch die Beine des iranischen Torwarts und dann über die Linie. Der Moderator des syrischen Fernsehens brach in frenetischen Jubel aus. „Toooooooooor“, schrie er ins Mikrofon: „Toooooooooor für das Nationalteam“– während sich syrische Fußballfans in aller Welt vor Freude in die Arme fielen.
Mit dem Ausgleich zum 2:2 kurz vor Abpfiff im Teheraner AsadiStadion gegen die bereits qualifizierten Iraner bewahrte sich Syriens Nationalteam die Chance auf die Weltmeisterschaft in Russland. Es wäre die erste Wm-teilnahme in der Geschichte des kriegsgeplagten Landes. In zwei Ausscheidungsspielen treffen die „Kasiun-adler“– benannt nach einem Gebirgszug im Zentrum Syriens – jetzt auf Australien. Allein dass die Elf des Bürgerkriegslandes es so weit geschafft hat, ist eine Sensation.
„Ich freue mich sehr“, schwärmte der Sportmoderator Masen al-hindi. „Nach dem Ausgleich bin ich in Tränen ausgebrochen.“Auf Syriens Straßen feierten die Fans mit Fahnen und Hupkonzerten. Und das Team sang nach dem Spiel tanzend in der Kabine: „Wir haben die Iraner zerrissen.“
An einen regulären Spielbetrieb im Land ist seit Ausbruch des Bür- gerkriegs 2011 nicht mehr zu denken. Wegen der Gewalt muss die Nationalelf ihre Heimspiele in Malaysia austragen, vor Geisterkulissen rund 7500 Kilometer von der Heimat entfernt. Die besten Spieler verdienen ihr Geld im Ausland, viele in den reichen Golfstaaten SaudiArabien, Katar oder Kuwait.
Als reichte all das nicht aus, um diesen Erfolg zu einer Sensationsgeschichte zu machen, erzielte ausgerechnet Omar al-soma den Ausgleich kurz vor Schluss. Der 28-Jährige gilt als einer der besten Stürmer Asiens und damit als Topstar seines Landes, ein Idol für viele Syrer. Nach dem Gewinn der Westasienmeisterschaft in Kuwait 2012 hielt Al-soma aber auf dem Spielfeld die Fahne der Aufständischen in die Höhe – ein Affront gegen die Regierung, die auch den syrischen Fußball kontrolliert. Fünf Jahre lang trat er nicht mehr in der Nationalmannschaft an, bis er vor Kurzem überraschend zurückkehrte. Beide Seiten wollten sich wohl die einmalige Chance auf eine Teilnahme an der WM nicht nehmen lassen.
Dennoch bleibt das Land nach mehr als sechs Jahren Bürgerkrieg zerrissen. Selbst wenn Sportmoderator Al-hindi glaubt, dass das Team Unterstützer und Gegner von Präsident Baschar al-assad zusammenbringt: „Das Match beweist, dass Fußball ein Spiel ist, das die Menschen vereint und nicht trennt.“» Randbemerkung