Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Weiße wird’s
Moderatorin Sandra Maischberger sagte vor dem „Duell“genannten Aufeinandertreffen von Kanzlerin Angela Merkel und deren SPD-HErausforderer Martin Schulz: „Vielleicht passiert etwas, das Sie gar nicht erwarten.“Sie hatte recht.
Denn meine fünfjährige Tochter, die am Tv-duell-sonntagabend mit mir vor dem Fernseher saß, meinte plötzlich: „Die Weiße soll regieren.“Ich hatte ihr erklärt, dass Merkel die Chefin Deutschlands ist, dass die Erwachsenen alle vier Jahre bestimmen dürfen, wer regiert, also der „Bestimmer“sein darf, und dass der Mann da mit der Brille das auch gerne sein möchte. Meine Tochter fand das alles nachvollziehbar – und rief die weiß gekleidete Maischberger (unser Foto) zur künftigen Kanzlerin aus. Ich sagte ihr, dass „die Weiße“nur die Fragen stelle, erklärte ihr, dass ich das als Journalist auch tue, zeigte auf den Bildschirm und sagte, dass die blau angezogene Frau Kanzlerin Merkel sei. Meine Fünfjährige spielte mit ihren Lego-steinen, schaute ab und an zum Fernseher und sagte schließlich: „Die Blaue wird gewählt.“„Meinst du?“„Ja, die Leute mögen Frauen.“Dann musste sie ins Bett.
*** Kürzlich schrieb ich in einem Leitartikel, dass auch das herkömmliche Fernsehen eine Zukunft habe, unter anderem, wenn es nicht so nach Einschaltquoten giere. Nun las ich ein Interview zum Thema. Der renommierte Herausgeber des „Jahrbuchs Fernsehen“, Lutz Hachmeister, sagte dem Branchendienst kress.de, dass „die Quote einen religiösen Charakter angenommen“habe. „Sie dominiert die Programmentscheidungen – und nur sehr selten Kreativität oder Inhalt. Für die öffentlich-rechtlichen Sender hat sie inzwischen genau den gleichen Sinn wie für das kommerzielle Fernsehen.“Ein gebührenfinanziertes Programm sollte sich aber nicht davon abhängig machen.