Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Problem der Wettervorhersage
Blick in die Geschichte
einem Wolkentröpfchen und dem nächsten ist und ob Eis- oder Wassertropfen überwiegen. In einem Forschungsprojekt wird das gerade erprobt. „Möglich ist das“, sagt Majewski, „aber es ist kompliziert und würde die Vorhersagen um einiges teurer machen.“Die Frage des Vorhersagemodells ist das eine – das Problem der Datenbeschaffung das andere. Wetterstationen messen Temperatur, Feuchte, Regen und Wind auf dem Boden. Wetterballons und Flugzeuge holen diese Daten ein paar Kilometer über der Erde ein, Satelliten in bis zu 36 000 Kilometern Höhe. Ein Riesenaufwand, der für die konkrete RegenVorhersage leider wenig bringt.
Das fängt schon bei der fast philosophisch anmutenden Frage an: Ab wann ist Regen eigentlich Regen? Wenn ein paar Tropfen fallen? Wann ist es noch Nebel und wann schon Regen? Für den DWD ist Re-
Ein 40 Millionen Euro teurer Rechner ist ausgelastet
gen, „wenn Wasser im Topf ist“, wie Majewski sagt. Im Garten des DWD steht eines dieser Dinger: eine schlanke Metallröhre mit einem Trichter, durch den das Wasser in ein Kännchen im Inneren fließt. Wenn der Regen nicht genau über dem Topf niedergeht, sondern ein paar Meter daneben, hat es in der Statistik nicht geregnet, auch wenn für Offenbach Regen vorhergesagt war und auf der anderen Straßenseite der Bordstein nass ist.
Reinhold Hess aus der Abteilung „Meteorologische Anwendungsentwicklung“hat es ausgerechnet: Wenn in den vergangenen sechs Jahren an einer Messstation ein Millimeter Regen vorhergesagt war, wie oft war dann was im Topf? Das Ergebnis klingt ernüchternd: in 35 Prozent der Fälle. Das Problem ist, dass die Vorhersage für ein Gebiet von 7,8 Quadratkilometer gemacht wird, der Topf hat aber nur einen Durchmesser von 16 Zentimetern. Und: „Je kleiner das Gebiet, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass die Vorhersage zutrifft“, sagt Hess.
Macht man das Gebiet größer, wird die Vorhersage besser, „aber dann nützt sie niemandem“. Wer wissen will, ob er den Garten gießen muss oder das Picknick absagen soll, will das sehr lokal wissen. „Darum arbeiten wir mit Wahrscheinlichkeiten“, so Hess. Frankfurt, Dienstag, 9 Uhr, 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Was heißt das? In einem Drittel des Stadtgebiets? 20 Minuten in dieser Stunde? „Es heißt“, sagt Hess, „dass es in 100 vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit 30 Mal geregnet hat“.
Nicht um Wahrscheinlichkeiten, sondern um Fakten geht es bei Peter Finger. Er sitzt im Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie des DWD und schaut sich an, wie das Wetter in der Vergangenheit war – nicht wie es (vielleicht) in den nächsten Tagen wird. An 140 000 Stationen weltweit wird Niederschlag gemessen, rund 3000 davon stehen in Deutschland.
Wie war der Niederschlag im letzten Monat? Wie war er im Durchschnitt der letzten 60 Jahre? Für die Entscheidung Rad oder Auto hilft das nicht, sagt Finger. Aber Finger und seine Kollegen vergleichen die im Nachhinein gemessenen Daten auch mit der damaligen Prognose. Weichen sie stark voneinander ab, werden die Vorhersagemodelle angepasst.
So gut es eben geht. Regen- und Gewitterwolken sind und bleiben auf absehbare Zeit die größte Herausforderung der Meteorologie. „Die Natur führt uns immer wieder an unsere Grenzen“, sagt Hoffmann aus der Vorhersagezentrale. „Unser größter Freund ist der Konjunktiv.“ HISTORISCHE STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST