Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
D Mark Blüten auf dem Kopierer hergestellt
Justiz Erst jetzt muss sich ein 70-Jähriger für eine Tat Anfang der 90er Jahre verantworten. Wie es dazu kam und warum er mit einer Bewährungsstrafe davonkommt
Kempten Ein ganz und gar ungewöhnlicher Fall hat die erste Strafkammer des Kemptener Landgerichts am Montag beschäftigt. Auf der Anklagebank saß ein Mann, dem Geldfälschung zur Last gelegt wird, was keineswegs ungewöhnlich ist. Eher ungewöhnlich allerdings ist da schon das Alter des Angeklagten, der in Handschellen aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde und als freier Mann den Gerichtssaal verließ: Der lächelnde Italiener mit den grauen, nach hinten zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren wird demnächst 71 Jahre alt. Und die Tat, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, liegt 26 Jahre zurück. 1991 soll der studierte Betriebswirtschaftler in Memmingen mit Komplizen einen Farbkopierer angeschafft haben. Damit sollen in wechselnder Besetzung in Füssen Geldnoten hergestellt worden sein: Lira-, Dollarund D-mark-blüten. Die Falsifikate brachten sie dann unters Volk.
Einer Strafverfolgung entzog sich der Vater zweier Töchter, indem die Familie viele Jahre lang in Italien lebte. Doch die Kemptener Justiz ließ nicht locker, richtete in der Angelegenheit Übernahmegesuche unter anderem an die Behörden in Italien, in der Schweiz und in Liechtenstein. Doch in Italien lebte der jetzt Angeklagte weiter sicher vor dem Zugriff der deutschen Justiz. Man werde den Mann nicht festnehmen und ausliefern, ließ die Justiz in Bozen im Jahr 2002 wissen.
Die Jahre gingen ins Land und den aus Como stammenden Mann zog es offensichtlich jetzt doch wieder nach Süddeutschland.
Offensichtlich war er juristisch falsch beraten worden und ging davon aus, dass die ihm von der Kemptener Staatsanwaltschaft zur Last gelegten Straftaten inzwischen verjährt sind. Nachdem der 70-Jährige im Juli in Deutschland festgenommen worden war, saß er nun zwei Monate in Untersuchungshaft, bis gestern das Verfahren eröffnet wurde. Sein Mandant sei bereit, ein Geständnis abzulegen, sagte Verteidigerin Michaela Landgraf. Wenn ihm dadurch eine Haftstrafe ohne Bewährung erspart bleibe. So waren zur gestrigen Hauptverhandlung auch keine Zeugen geladen. Sie zu hören wäre in diesem Fall ohnehin schwierig bis unmöglich gewesen. Einige sind über 80 Jahre alt, andere bereits gestorben. Wer bei der Geldfälschung welche Rolle gespielt hatte, konnte denn auch nicht restlos geklärt werden. Zumal einer der Komplizen aus dem Ostallgäuer Schwangau bereits seit 2008 tot ist und die Protokolle seiner polizeilichen Vernehmung nur noch verlesen werden konnten.
Die Kammer unter Vorsitz von Richter Thorsten Thamm verurteilte den geständigen 70-Jährigen („Ich habe einen großen Fehler gemacht.“) zu einer eineinhalbjährigen Bewährungsstrafe und zu einer Geldbuße von 15000 Euro. Dieses Urteil liege „am unteren Rande des Strafrahmens“, sagte Thamm.