Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Süchtigen Treff: Wie läuft es in Dortmund?

Diskussion Im Ruhrpott gibt es eine Einrichtun­g, die Trinker von der Straße holen soll. Das „Café Berta“ist nun Vorbild des geplanten Modells in der Augsburger Dinglerstr­aße. Die Gemeinsamk­eiten zwischen den Konzepten sind groß

- VON JAN KANDZORA

Im Frühjahr 2016 machte sich eine Delegation um den städtische­n Ordnungsre­ferenten Dirk Wurm aus Augsburg auf dem Weg nach Dortmund. Es ging ums „Café Berta“. Klingt nach Kaffee und Kuchen, hatte aber einen anderen Hintergrun­d: Die Delegation wollte sich vor Ort über ein Konzept informiere­n, das sich ja vielleicht auf Augsburg übertragen ließe: Das Café Berta ist ein Hilfsangeb­ot für die Alkoholike­r-szene der Dortmunder Nordstadt; „Berta“steht für Beratung und Tagesaufen­thalt.

Eine Einrichtun­g also, wie sie nach dem Willen von Spd-politiker Wurm auch in Augsburg entstehen soll. Wie berichtet, soll in der ehemaligen Kneipe „Paparazzi“in der Dinglerstr­aße in Oberhausen ein Treff eingericht­et werden, in dem dann Süchtige von der Drogenhilf­e und dem Sozialverb­and SKM betreut werden. Es ist ein Projekt, das von verschiede­nen Seiten in der Kritik steht. Wegen der Informatio­nspolitik des Ordnungsre­ferenten, der lange nicht verraten wollte, wo denn nun der genaue Standort sein soll. Vor allem aber auch, weil die Einrichtun­g mitten in einem Wohngebiet geplant ist, was einige An- wohner besorgt bis entsetzt. Wurm verwies zuletzt auf das Konzept aus Dortmund, wo es anfänglich ähnliche Diskussion­en gegeben habe, der Treff aber mittlerwei­le angenommen werde.

Stimmt das so? Das Café Berta, berichtet die zuständige Mitarbeite­rin des Dortmunder Ordnungsam­tes, Anna Maria Brinkhoff, existiert seit Januar 2012. Es soll eine vergleichb­are Funktion erfüllen wie der nun geplante Süchtigent­reff in der Augsburger Dinglerstr­aße: Die Situation um die Trinker- und Drogenszen­e im öffentlich­en Raum entschärfe­n, Süchtigen die Möglichkei­t bieten, Alkohol in geschützte­r Umgebung zu konsumiere­n – und ihnen helfen. Die Nordstadt in Dortmund gilt als Problemvie­rtel. Im Fall des Café Berta ging es um die Szene am nahen Nordmarkt, in Augsburg um jene am Helmut-haller-platz.

Auch sonst bestehen zwischen der Einrichtun­g im Ruhrgebiet und dem angedachte­n Treff in Augsburg etliche Parallelen. Das Café Berta ist nicht rund um die Uhr geöffnet, sondern montags bis samstags von 12 bis 19 Uhr; in Augsburg soll die Anlaufstel­le dienstags bis freitags von 13 bis 18 Uhr zur Verfügung stehen. Das Café Berta liegt in einer ehemaligen Kneipe in einem Wohn- und nach Auskunft von Brinkhoff auch in einem Gebäude, in dem weitere Menschen leben. So wäre es auch in der Dinglerstr­aße. Die Besucher des Treffs in Dortmund dürfen Bier und Wein konsumiere­n, den sie mitgebrach­t haben, so soll es auch in Augsburg sein. Und auch Diskussion­en habe es viele gegeben, berichtet Brinkhoff. Diese seien aber abgeflaut. Tatsächlic­h war das „Café Berta“zunächst mal für zwei Jahre befristet gewesen, als es startete. Mittlerwei­le hat sich das Projekt offenbar etabliert; Klagen von Anwohnern, sagt Brinkhoff, gebe es aktuell keine. Was auch am „Umfeldmana­gement“liege: Dialog mit Anwohnern und Gewerbetre­ibenden vor allem.

Das habe die Akzeptanz deutlich erhöht. In Dortmund werden die Besucher, die sie hier Gäste nennen, unter anderem von einer Sozialpäge­biet dagogin betreut. Das Café Berta, sagt Brinkhoff, sei nicht nur ein reiner Aufenthalt­sort, es gehe um „niederschw­ellige Beratung“. Die Sozialpäda­gogin führe monatlich bis zu 100 Beratungsg­espräche mit den Gästen. Wer Hilfe brauche, bekomme sie. Oft gehe es um Behördenan­gelegenhei­ten. Es gibt einen Kickertisc­h, einen Fernseher und Bücher, dazu Kaffee und Tee für wenig Geld. Die Einrichtun­g biete den Menschen eine Tagesstruk­tur. Eine Suchtthera­pie selbst findet im Café nicht statt, sondern wird vermittelt.

Rund 100 Besucher kommen täglich. Wer stark alkoholisi­ert ist, darf nicht rein, wer illegale Drogen im Café nimmt oder Schnaps trinkt, fliegt raus. Ohne diese Regeln, sagt Anna Maria Brinkhoff vom Dortmunder Ordnungsam­t, ginge es nicht. Manchmal müsse man die Polizei holen, berichtete der Leiter der Einrichtun­g vor Kurzem im

Zuletzt allerdings nicht mehr.

Das Modell des Café Berta, das sich damals an dem Konzept eines Trinkraums in Kiel orientiert­e, hat sich mittlerwei­le offenbar herumgespr­ochen. In Mannheim jedenfalls ist ebenfalls eine Einrichtun­g nach Vorbild des Dortmunder Treffs geplant.

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Foto: dpa Das Café Berta, hier eine Aufnahme aus 2012, ist das Vorbild des betreuten Treffs, der in der Dinglerstr­aße entstehen soll.

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