Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Ein Buchladen braucht ein Gesicht“
Handel Viele lokale Händler spüren den Druck großer Online-versender. Drei Geschäftsleute aus der Region erzählen,wie sie sich zur Wehr setzen und warum sie es dabei manchmal leichter haben als große Filialisten
Kolonial Feinkost & Buch Wer Kolonial Feinost&buch am Mittleren Lech 2 betritt, erkennt sofort: Eine gewöhnliche Buchhandlung ist das nicht. Neben den gedruckten Werken werden auch verschiedene Feinkostartikel und Accessoires angeboten. Es mischen sich bunte Farben und Gerüche. Eine Atmosphäre entsteht, die zum Entdecken und Verweilen einlädt und dem Laden ein besonderes Flair verleiht. Ein Flair, das Kolonial einen Auftritt in dem Knesebeck-führer „Meine schöne Buchhandlung“verschafft hat. Dort sind 35 Buchhandlungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgeführt, die auf ihre Art besonders und erfolgreich sind. Das Konzept hinter Kolonial macht es also aus, dass der Laden trotz Amazon und Co. läuft. „Einen reinen Buchladen hätten wir nicht gemacht, das hätte nicht funktioniert“, beschreibt Inhaber Kurt Sauerlacher. Das belegen auch die Zahlen: Nur ein Drittel des Umsatzes kommen über das Buch, den Rest steuert die Feinkostabteilung bei. Aber genau diese Zusammensetzung ist es, die den Blick auf den „Konkurrent Onlinehandel“ein anderer werden lässt. „Wir sehen das Onlineangebot nicht wirklich als Konkurrenz. Die sind die und wir sind wir. Unsere Herausforderung ist es nicht, den Kunden von Online abzuhalten, sondern das Angebot so attraktiv zu machen, dass der Kunde
Wir müssen unsere Vorteile ausspielen und nutzen
gerne und regelmäßig kommt“, so Mitinhaberin Andrea Karl. „Wir bieten daher immer wieder etwas Neues, sodass es sich lohnt, regelmäßig bei uns auf Entdeckungsreise zu gehen.“Das Schöne sei, dass durch das besondere Konzept schon viele Kunden am Ende ihres Besuchs ein Buch gekauft hätten, obwohl sie ursprünglich wegen etwas ganz anderem da gewesen seien. Das bestätige sie in ihrem Handeln.
Bücher Max Ähnlich sieht Max Fischer die Lage. Er ist gelernter Buchhändler und hat BWL studiert. Vor vier Jahren hat er eine Buchhandlung in Neusäß übernommen. „Bücher einfach nur ins Regal stellen und verkaufen ist nicht mehr. Dann geht man angesichts der Konkurrenz aus Online und großen Ket- ten tatsächlich unter“, sagt er. Der stationäre Buchhandel mache nicht reich, aber er könne gut funktionieren, wenn man sich entsprechend aufstellt. „Ich muss die Vorteile nutzen, die ich gegenüber den Mitbewerbern habe. Sprich: das persönliche Gespräch mit dem Kunden suchen, individuell beraten können,
Hätten Sie’s gewusst?
Auszeichnung Bayerns Buchhänd ler des Jahres 2016 kommt aus Schwabmünchen. Das Kultusministeri um hat im Dezember letzten Jahres die Buchhandlung Schmid ausgezeich net. Inhaber Hans Grünthaler hat vor rund sechs Jahren die Buchhand lung übernommen und setzt bei sei nem Erfolg ebenfalls auf eine Mischung aus gutem Service, Entertainment und Event. „Bookshop Concerts“
eine auf den Kunden zugeschnittene Auswahl an Bücher haben und ein Alleinstellungsmerkmal schaffen.“Max Fischer beliefert daher Schulen, kann Ehemännern auf Wunsch ein passendes Buch für den Geburtstag der Frau verkaufen und gestaltet mit verschiedenen Veranstaltungen das Kulturprogramm in Neusäß wechseln sich mit Lesungen oder Kabarett ab. Auch er betreibt also kei nen klassischen Buchhandel.
Schneller als online Viele stationä re Buchhandlungen können Bücher schneller bereitstellen als der Online handel. Wer beispielsweise bei Bü cher Max bis 18 Uhr bestellt, kann das Exemplar tags darauf ab 9 Uhr im Laden abholen. Auch Lieferungen bie ten manche Händler an.
mit. „Eine Buchhandlung braucht ein Gesicht“, ist er überzeugt. Ein Grund, warum größeren Filialisten seiner Ansicht nach der Druck der Online-konkurrenz mehr zu schaffen macht als den Kleinen. „Diese Läden sind austauschbarer, sie können sich nicht gezielt auf bestimmte Kundenwünsche einstellen, sie müssen alle Bereiche abdecken. Ich kann mich auf eine Nische spezialisieren. Das geht dort nicht“, erklärt er. Ein Zeichen dafür, wie hart für die Filialisten der Markt ist, beschreibt er an einem Beispiel: Bei großen Filialisten würden zunehmend die Ladenflächen verkleinert und beispielsweise die Post mit aufgenommen. „Wenn man dann auch noch sieht, wie Menschen mit einem Amazon-paket beim Buchhändler am Postschalter stehen, dann stimmt das schon traurig.“Auch Thalia mache derzeit Druck, erzählt Fischer. Der Händler habe ihm und vielen anderen Kollegen Post mit einem Übernahmeangebot geschickt. Würde er kein Interesse zeigen, werde Thalia möglicherweise selbst eine Filiale in der Nähe eröffnen, hieß es laut Fischer in dem Schreiben. „Ich werte das als Zeichen, dass es ihnen nicht gut geht. Obwohl immer noch jedes zweite Buch im Handel vor Ort gekauft wird.“
Schlosser’sche Buchhandlung Dass es Buchhandlungen in der heutigen Handelsstruktur nicht immer leicht haben, weiß auch Bianca Kölbl, Inhaberin der Schlosser’schen Buchhandlung. Mitte des Jahres haben sie und ihr Mann Augsburgs älteste Buchhandlung übernommen. Mehr aus Idealismus denn aus wirtschaftlichen Aspekten. „Amazon und Co. sind durchaus starke Konkurrenten und man muss sich schon überlegen, ob man einen stationären Buchhandel wirklich betreiben will“, gibt sie zu. Aktuell würde sich die Schlos- ser’sche Buchhandlung gut tragen, weil Bibliotheken Teile ihrer Be- stände dort bestellen und viel Fachliteratur an Unternehmen gehe. Als Buch-liebhaberin wolle sie aber nicht nur Bestellungen erledigen, sondern wieder mehr Menschen zum Lesen und zu einem Besuch in ihrem Laden bewegen. Deshalb soll das Geschäft umgestaltet und als Ort der Ruhe und Entschleunigung bekannt gemacht werden. Auch mit Veranstaltungen und Buchbesprechungen will Kölbl punkten und einen Mehrwert zum Onlinehandel bieten. „Es ist nicht ganz einfach, einen stationären Buchladen erfolgreich zu betreiben. Aber ich liebe Bücher und sehe es als meine Aufgabe, Buchläden zu erhalten.“Denn eine Studie besage, dass die Schließung eines Buchladens nicht dazu führe, dass der Kunde fortan online kauft, sondern dass er gar kein Buch mehr kauft. „Und das darf nicht passieren“, so Kölbl.