Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Entflammt Trump den Nahen Osten?
Hintergrund Der Us-präsident ergreift im Dauerkonflikt Partei und erkennt Jerusalem als Israels Hauptstadt an. Damit löst er ein Wahlkampfversprechen ein. Doch die Folgen sind unberechenbar
Augsburg In kaum einem Konflikt sind Symbole so präsent und so wichtig wie im Streit um Jerusalem. Die Geste eines Politikers, der Zugang zu einer Synagoge, einer Kirche oder einer Moschee – all das ist äußerst sensibel. Und zwar seit 70 Jahren. Am 29. November 1947 fasste die UN einen Beschluss, der bei Juden weltweit Jubel auslöste: Darin wurde eine Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat festgelegt. Was als Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens angelegt war, wurde jedoch zum Keim von Hass und Krieg. Heute stehen fanatische Siedler militanten und verbitterten Palästinenser gegenüber.
Nun bricht Us-präsident Donald Trump mit dem Grundsatz, dass der formale Status quo für Jerusalem bis zu einer Lösung des Nahost-konflikts nicht angetastet wird. Er kündigte als erster Präsident der USA
Keine schnelle Verlegung der Botschaft
an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Bisher war Israel mit seinem Anspruch auf Jerusalem als „ewige und ungeteilte Hauptstadt“international weitgehend isoliert. Gleichzeitig versicherte Trump, die Us-botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Ein Vorgang, der nach Ansicht von Experten mehrere Jahre dauern dürfte.
Trumps Vorstoß dürfte nicht zuletzt innenpolitisch motiviert sein. Schließlich hatte er schon im Wahlkampf versprochen, die „Us-botschaft in die ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes zu verlegen“. Bereits 1995 stimmte der Us-kongress offiziell für diese Verlegung – mit der Maßgabe, sie bis 1999 umzusetzen. Doch da der Nahe Osten auch
Zankapfel Jerusalem: Heilige Stadt dreier Weltreligionen
Status Mit Ende des britischen Man dats hatten die UN sich 1947 für eine internationale Verwaltung der Stadt ausgesprochen.
Teilung Im ersten Nahost Krieg 1948 besetzte der neu gegründete Staat Israel den westlichen und Jorda nien den östlichen Teil Jerusalems. Damit war die Stadt de facto geteilt.
Eroberung Während des Sechs Ta ge Kriegs 1967 eroberte Israel den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems und beanspruchte die ganze Stadt als seine „ewige und unteilbare Haupt stadt“. Den Anspruch der Palästinen ser auf den Ostteil als künftige Haupt stadt eines unabhängigen Palästi nenserstaats lehnt Israel ab.
Initiativen Verschiedene Lösungs vorschläge sahen eine Aufteilung vor. „Was jüdisch ist, bleibt jüdisch, was ara in den neunziger Jahren schon einem Pulverfass glich, schreckten die jeweils amtierenden Präsidenten davor zurück, den Plan zu realisieren. Seit dem ist es Praxis, dass die Uspräsidenten alle sechs Monate eine Verfügung unterschreiben, die den „Jerusalem Embassy Act“– sprich den Umzug der Botschaft – immer wieder aussetzt. Das könnte, so wird Trump interpretiert, weiterhin so praktiziert werden, bis die Verlegung tatsächlich erfolgt ist.
Israel hatte den arabisch geprägten Ostteil der Stadt im Jahr 1967 während des Sechs-tage-kriegs eingenommen und später annektiert. Doch dieser Schritt wurde international nicht anerkannt. Bekämpft wird er von den Palästinensern, die Ost-jerusalem als ihre künftige Hauptstadt ansehen. Auch die Vereinten Nationen erkennen bisch ist, wird palästinensisch“, lau tete die Formel des früheren US Präsi denten Bill Clinton. Ex US Außenmi nister John Kerry sprach von einer „in ternational anerkannten Hauptstadt zweier Staaten“.
Religion Brennpunkt der religiösen Spannungen ist der Tempelberg in der Altstadt – für Muslime „Al Haram al Scharif“(Das edle Heiligtum). Dort standen ehemals jüdische Tempel, heute beten Muslime in der Al Aksa Moschee und dem Felsendom. Der hei lige Ort steht offiziell unter muslimi scher Verwaltung. An der erhaltenen Westmauer des ehemaligen jüdi schen Tempelbezirks, der Klagemauer, beten die Juden. Auch für die Chris ten sind viele Stätten in der Stadt heilig, vorrangig darunter die Grabeskirche in der Altstadt. (dpa) ganz Jerusalem nicht als Israels Hauptstadt an. Die Europäische Union hält ebenfalls daran fest, dass der Status der Stadt im Zuge von Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern geklärt werden soll.
Doch trotz vielfältiger Initiativen wurde der Friedensprozess immer wieder von Rückschlägen unterbrochen. Und das, obwohl seit 1993 die Frage nach dem Status Jerusalems regelmäßig ausgeklammert wurde, um die Verhandlungen nicht von vorneherein scheitern zu lassen.
In den letzten Jahren entfernten sich die Kontrahenten immer weiter voneinander. Die viel beschworene Zwei-staaten-lösung ist in weite Ferne gerückt. Ein Staat Palästina, mit Ost-jerusalem als Hauptstadt, dem Westjordanland und dem Gazastreifen wird von Israel rundweg abgelehnt. Hinzu kommt, dass sich gegen internationales Recht errichtete israelische Siedlungen im Westjordanland immer weiter ausbreiten und so Fakten schaffen. Die Palästinenserorganisationen ihrerseits – insbesondere die radikal-islamistische Hamas – reagierten auf ein Entgegenkommen Israels in der Vergangenheit mit fahrlässiger Halsstarrigkeit. Die Hamas torpedierte einen möglichen Friedenprozess zudem mit Raketen, die sie auf den Süden Israels abfeuerten.
Die Lage ist seit vielen Jahren festgefahren. Doch nach Trumps Ankündigung wird weltweit eine neue Runde der Gewalt befürchtet. Auch in den USA machen sich die Behörden offensichtlich große Sorgen. Die Us-botschaft in Israel warnt vor möglichen Gewaltausbrüchen als Reaktion auf Trumps Vorstoß. Die Sorge könnte berechtigt sein: Mehrere palästinensische Gruppierungen haben gestern zu drei „Tagen des Zorns“aufgerufen. Die Hamas hat
Bereits gestern kam es zu ersten Ausschreitungen
die Palästinenser zu einem neuen Aufstand aufgerufen. In der Nähe von Bethlehem kam es am Mittwoch zu einer Konfrontation zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. In Bethlehem verbrannten Demonstranten Bilder von Trump.
Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel erklärte, dass „die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels nicht einen Konflikt beruhigt, sondern ihn eher noch einmal anheizt“. Sein britischer Amtskollege Boris Johnson kritisierte die Entscheidung ebenfalls. Großbritannien habe „keine Pläne“, seine Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, fügt er hinzu. Auch Papst Franziskus mahnte, alle Parteien müssten den Status quo der Stadt respektieren.