Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Entflammt Trump den Nahen Osten?

Hintergrun­d Der Us-präsident ergreift im Dauerkonfl­ikt Partei und erkennt Jerusalem als Israels Hauptstadt an. Damit löst er ein Wahlkampfv­ersprechen ein. Doch die Folgen sind unberechen­bar

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg In kaum einem Konflikt sind Symbole so präsent und so wichtig wie im Streit um Jerusalem. Die Geste eines Politikers, der Zugang zu einer Synagoge, einer Kirche oder einer Moschee – all das ist äußerst sensibel. Und zwar seit 70 Jahren. Am 29. November 1947 fasste die UN einen Beschluss, der bei Juden weltweit Jubel auslöste: Darin wurde eine Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat festgelegt. Was als Grundlage eines friedliche­n Zusammenle­bens angelegt war, wurde jedoch zum Keim von Hass und Krieg. Heute stehen fanatische Siedler militanten und verbittert­en Palästinen­ser gegenüber.

Nun bricht Us-präsident Donald Trump mit dem Grundsatz, dass der formale Status quo für Jerusalem bis zu einer Lösung des Nahost-konflikts nicht angetastet wird. Er kündigte als erster Präsident der USA

Keine schnelle Verlegung der Botschaft

an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en. Bisher war Israel mit seinem Anspruch auf Jerusalem als „ewige und ungeteilte Hauptstadt“internatio­nal weitgehend isoliert. Gleichzeit­ig versichert­e Trump, die Us-botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Ein Vorgang, der nach Ansicht von Experten mehrere Jahre dauern dürfte.

Trumps Vorstoß dürfte nicht zuletzt innenpolit­isch motiviert sein. Schließlic­h hatte er schon im Wahlkampf versproche­n, die „Us-botschaft in die ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes zu verlegen“. Bereits 1995 stimmte der Us-kongress offiziell für diese Verlegung – mit der Maßgabe, sie bis 1999 umzusetzen. Doch da der Nahe Osten auch

Zankapfel Jerusalem: Heilige Stadt dreier Weltreligi­onen

Status Mit Ende des britischen Man dats hatten die UN sich 1947 für eine internatio­nale Verwaltung der Stadt ausgesproc­hen.

Teilung Im ersten Nahost Krieg 1948 besetzte der neu gegründete Staat Israel den westlichen und Jorda nien den östlichen Teil Jerusalems. Damit war die Stadt de facto geteilt.

Eroberung Während des Sechs Ta ge Kriegs 1967 eroberte Israel den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems und beanspruch­te die ganze Stadt als seine „ewige und unteilbare Haupt stadt“. Den Anspruch der Palästinen ser auf den Ostteil als künftige Haupt stadt eines unabhängig­en Palästi nenserstaa­ts lehnt Israel ab.

Initiative­n Verschiede­ne Lösungs vorschläge sahen eine Aufteilung vor. „Was jüdisch ist, bleibt jüdisch, was ara in den neunziger Jahren schon einem Pulverfass glich, schreckten die jeweils amtierende­n Präsidente­n davor zurück, den Plan zu realisiere­n. Seit dem ist es Praxis, dass die Uspräsiden­ten alle sechs Monate eine Verfügung unterschre­iben, die den „Jerusalem Embassy Act“– sprich den Umzug der Botschaft – immer wieder aussetzt. Das könnte, so wird Trump interpreti­ert, weiterhin so praktizier­t werden, bis die Verlegung tatsächlic­h erfolgt ist.

Israel hatte den arabisch geprägten Ostteil der Stadt im Jahr 1967 während des Sechs-tage-kriegs eingenomme­n und später annektiert. Doch dieser Schritt wurde internatio­nal nicht anerkannt. Bekämpft wird er von den Palästinen­sern, die Ost-jerusalem als ihre künftige Hauptstadt ansehen. Auch die Vereinten Nationen erkennen bisch ist, wird palästinen­sisch“, lau tete die Formel des früheren US Präsi denten Bill Clinton. Ex US Außenmi nister John Kerry sprach von einer „in ternationa­l anerkannte­n Hauptstadt zweier Staaten“.

Religion Brennpunkt der religiösen Spannungen ist der Tempelberg in der Altstadt – für Muslime „Al Haram al Scharif“(Das edle Heiligtum). Dort standen ehemals jüdische Tempel, heute beten Muslime in der Al Aksa Moschee und dem Felsendom. Der hei lige Ort steht offiziell unter muslimi scher Verwaltung. An der erhaltenen Westmauer des ehemaligen jüdi schen Tempelbezi­rks, der Klagemauer, beten die Juden. Auch für die Chris ten sind viele Stätten in der Stadt heilig, vorrangig darunter die Grabeskirc­he in der Altstadt. (dpa) ganz Jerusalem nicht als Israels Hauptstadt an. Die Europäisch­e Union hält ebenfalls daran fest, dass der Status der Stadt im Zuge von Verhandlun­gen zwischen Israel und den Palästinen­sern geklärt werden soll.

Doch trotz vielfältig­er Initiative­n wurde der Friedenspr­ozess immer wieder von Rückschläg­en unterbroch­en. Und das, obwohl seit 1993 die Frage nach dem Status Jerusalems regelmäßig ausgeklamm­ert wurde, um die Verhandlun­gen nicht von vorneherei­n scheitern zu lassen.

In den letzten Jahren entfernten sich die Kontrahent­en immer weiter voneinande­r. Die viel beschworen­e Zwei-staaten-lösung ist in weite Ferne gerückt. Ein Staat Palästina, mit Ost-jerusalem als Hauptstadt, dem Westjordan­land und dem Gazastreif­en wird von Israel rundweg abgelehnt. Hinzu kommt, dass sich gegen internatio­nales Recht errichtete israelisch­e Siedlungen im Westjordan­land immer weiter ausbreiten und so Fakten schaffen. Die Palästinen­serorganis­ationen ihrerseits – insbesonde­re die radikal-islamistis­che Hamas – reagierten auf ein Entgegenko­mmen Israels in der Vergangenh­eit mit fahrlässig­er Halsstarri­gkeit. Die Hamas torpediert­e einen möglichen Friedenpro­zess zudem mit Raketen, die sie auf den Süden Israels abfeuerten.

Die Lage ist seit vielen Jahren festgefahr­en. Doch nach Trumps Ankündigun­g wird weltweit eine neue Runde der Gewalt befürchtet. Auch in den USA machen sich die Behörden offensicht­lich große Sorgen. Die Us-botschaft in Israel warnt vor möglichen Gewaltausb­rüchen als Reaktion auf Trumps Vorstoß. Die Sorge könnte berechtigt sein: Mehrere palästinen­sische Gruppierun­gen haben gestern zu drei „Tagen des Zorns“aufgerufen. Die Hamas hat

Bereits gestern kam es zu ersten Ausschreit­ungen

die Palästinen­ser zu einem neuen Aufstand aufgerufen. In der Nähe von Bethlehem kam es am Mittwoch zu einer Konfrontat­ion zwischen Palästinen­sern und israelisch­en Soldaten. In Bethlehem verbrannte­n Demonstran­ten Bilder von Trump.

Der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel erklärte, dass „die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels nicht einen Konflikt beruhigt, sondern ihn eher noch einmal anheizt“. Sein britischer Amtskolleg­e Boris Johnson kritisiert­e die Entscheidu­ng ebenfalls. Großbritan­nien habe „keine Pläne“, seine Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, fügt er hinzu. Auch Papst Franziskus mahnte, alle Parteien müssten den Status quo der Stadt respektier­en.

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Foto: Evan Vucci, dpa Ein Bild, das um die Welt ging: Donald Trump hielt bei seinem Besuch in Jerusalem im Mai 2017 an der Klagemauer inne.

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