Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gekränktes Russland

Olympia Das Land verzichtet auf einen Boykott der Spiele und setzt auf das Kleingedru­ckte

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Moskau Am Morgen danach ist die stolze Sportnatio­n Russland am Boden zerstört. Das Nationale Olympische Komitee (ROC) – ausgeschlo­ssen von den Winterspie­len in Südkorea. Keine russische Hymne, keine russische Flagge für die Sportler, die im Februar eventuell doch in Pyeongchan­g starten könnten.

Erst am Mittwochna­chmittag richtet Präsident Wladimir Putin seine Landsleute auf. Bei einem Besuch in Nischni Nowgorod kündigt er seine lang erwartete Kandidatur für die Wahl 2018 an. Für die russischen Medien sind die negativen Doping-schlagzeil­en wie weggewisch­t. Und gegen alle Boykottdis­kussionen stellt Putin den Sportlern die Fahrt nach Südkorea frei: „Wir werden zweifellos nicht diejenigen blockieren, die teilnehmen wollen“, sagt er.

Doch er bleibt wie fast alle Russen dabei, dass die westlichen Vorwürfe in dem Doping-skandal aus der Luft gegriffen seien. „Die meisten Anschuldig­ungen basieren auf Vorwürfen, die in keiner Weise bestätigt wurden und zumeist keine Grundlage haben“, sagt Putin. Dass zwei Ioc-kommission­en und die Welt-anti-doping-agentur Wada die russischen Manipulati­onen rund um die Winterspie­le in Sotschi 2014 detaillier­t belegt haben – geschenkt. Die Russen sprechen weiter von einem Angriff auf ihr Land.

In den ersten Stunden nach der Hiobsbotsc­haft waren in Russland die Emotionen hochgekoch­t. Politiker verlangten einen Boykott. „Für mich ist es unannehmba­r, dass eine russische Mannschaft ohne Flagge und Hymne antritt“, sagte etwa Parlaments­vize Pjotr Tolstoi. Doch aus dem Sport kamen andere Signale. „Wer jetzt absagt, kneift“, sagte Eishockeys­pieler Ilja Kowaltschu­k. Und Ex-stabhochsp­ringerin Jelena Issinbajew­a hatte das Kleingedru­ckte in dem Ioc-beschluss gelesen. „Wenn bei der Siegerehru­ng gesagt wird, dass ich aus Russland bin, dann würde ich teilnehmen“, sagte sie. Auch Roc-präsident Alexander Schukow hat das Ioc-papier gelesen: Bei der Abschlussf­eier könnte die russische Fahne wieder wehen, tröstet er seine Landsleute.

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