Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Polizei prüft Morddrohungen gegen türkische Dissidenten
Hintergrund Informationen über dreiköpfiges Killerkommando
Istanbul Deutsche Polizeibehörden prüfen Morddrohungen gegen türkische Dissidenten. Anlass sind unter anderem Angaben des türkischen Abgeordneten der oppositionellen Partei HDP, Garo Paylan, über eine angebliche Todesliste von Regierungsgegnern. Paylan sagte in Medieninterviews, ein dreiköpfiges Killerkommando sei aus der Türkei nach Europa geschickt worden. Er habe die zuständigen türkischen Stellen und auch die Sicherheitsbehörden in Europa über seine Erkenntnisse informiert, sagte Paylan. Regierungsnahe Kommentatoren in der Türkei hatten in letzter Zeit die Ermordung von Dissidenten im Ausland diskutiert, weil europäische Staaten die Auslieferung der Regierungskritiker verweigern.
Die Warnung des Oppositionspolitikers Paylan enthielt keinen Hinweis darauf, dass er die türkischen Sicherheitsbehörden hinter den angeblichen Mordplänen vermutet. Vielmehr könnten die Anschlagsvorbereitungen von Mitgliedern der türkischen Sicherheitsbehörden stammen, die auf eigene Faust handelten. Von der türkischen Regierung lag zunächst keine Stellungnahme zu den Berichten vor. Der türkische Dienst der
zitierte Vertreter der deutschen Polizeibehörden mit den Worten, die Gefährdungslage sei
Die Rede ist von einer „Todesliste“
bekannt. Die Berichte über Attentatsvorbereitungen würden untersucht, Ermittlungen und Lagebewertung liefen weiter. Paylan sagte türkischen Medien, es gebe eine „Todesliste“mit Namen von Personen und Institutionen, die als Ziele von Anschlägen ausgewählt worden seien.
Ein Schwerpunkt sei die Bundesrepublik, wo viele Exilgegner von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan leben, sagte Paylan. Nach Angaben des deutschen Innenministeriums genießen derzeit rund 400 türkische Beamte und Diplomaten nach ihrer Flucht aus der Türkei Schutz in der Bundesrepublik. Hinzu kommen andere prominente Regierungsgegner wie der in Berlin lebende Journalist Can Dündar, der von Erdogan als Spion bezeichnet worden war. Dündar war schon vor seiner Flucht nach Deutschland in Istanbul zum Ziel eines Anschlagsversuches geworden. Ein türkischer Nationalist schoss auf den Journalisten, den er als „Verräter“beschimpfte; Dündar blieb unverletzt.
Seit der Flucht vieler Erdogangegner ins Ausland nach dem gescheiterten Putschversuch im Sommer 2016 verlangt die Regierung in Ankara von westlichen Staaten die Auslieferung zahlreicher Verdächtiger, hat bisher aber kein Gehör gefunden. Regierungsvertreter in Europa und den USA verweisen darauf, dass die Beweise der türkischen Behörden gegen die Beschuldigten nicht für Auslieferungsverfahren ausreichen. Erdogan und seine Minister haben sich in den vergangenen Monaten mehrmals verärgert über diese Haltung der Partner im Westen gezeigt.