Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Freistaat zieht Museum aus Augsburg ab
Glaspalast Die staatliche Sammlung zeitgenössischer Kunst lockte zu wenig Besucher, weshalb München die Bilder 2019 zurückholt. In der Stadt sorgt dies für Diskussionen
„Aufruhr in Augsburg“heißt eine Ausstellung, die seit zweieinhalb Jahren im Augsburger Glaspalast zu sehen ist. Ein passender Titel, wenn man weiß, dass hinter den Kulissen derzeit intensiv über dieses Haus diskutiert wird. Grund: Der Freistaat Bayern, der eine Hälfte der Räume angemietet hat, zieht sich vorzeitig aus Augsburg zurück.
„Wir haben den Vertrag mit der Stadt Augsburg gekündigt“, bestätigt Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Informationen unserer Zeitung. Ende 2019 werden die Bilder wieder ins Depot nach München wandern – fünf Jahre vor Ablauf des Mietvertrags. „Aufwand und Nutzen stimmen nicht überein und wir müssen auf die Effizienz achten“, begründet Maaz die Entscheidung. Pro Jahr kamen nur rund 5000 Besucher.
Dies ist aber wohl nicht der einzige Grund für den vorzeitigen Rückzug des Freistaats. Maaz bemängelt auch das Engagement der Stadt, die nebenan das H 2 für moderne Kunst betreibt. Es habe „zu wünschen übrig gelassen“, Maaz fehlte es an der öffentlichkeitswirksamen Vermittlung der Ausstellungen. Die „Häufung“von drei Museen für moderne Kunst – neben der Staatsgalerie und dem H 2 gibt es im Glaspalast noch die Galerie Noah – sei für den Standort außerdem zu viel.
Augsburgs Kulturreferent Thomas Weitzel weist die Vorwürfe von sich. Die Ausstellungen in der Staatsgalerie seien im Zusammenhang mit den städtischen Ausstellungen immer beworben worden. „Aber ein attraktives Programm in der Staatsgalerie zu gestalten, ist nicht unsere Aufgabe. Wir sind nicht der Betreiber.“Die Zahlen im städtischen H 2 seien im Vergleich zu denen der Staatsgemäldesammlungen auch zufriedenstellend: 2015 wurden im H2 über 14100 Besucher gezählt, 2016 waren es mehr als 15 500. „Das zeigt, dass auch an diesem Standort deutlich mehr geht, wenn man ein gutes Programm bietet,“so Weitzel. Mit Ausstellungen, die zum Teil länger als zwei Jahre liefen, sei dies aber nicht der Fall – seien sie auch noch so interessant. „Die sieht man einmal und dann war es das“, fügt Thomas Elsen, Leiter des H 2, hinzu.
Der Freistaat hat seinen Vertrag bereits vor einem halben Jahr gekündigt. Generaldirektor Maaz zeigte sich im Az-gespräch verwundert, dass die Stadt Augsburg die Entscheidung lediglich zur Kenntnis nahm. Weitere Gespräche habe sie nicht gesucht. Augsburger Kulturkenner glauben den Grund zu kennen: Die Stadt erarbeitet aktuell ein Kulturentwicklungskonzept. Darin wird festgelegt, wie die Museumslandschaft künftig aussehen soll. Kulturreferent Weitzel komme es offenbar zupass, dass mit dem Rückzug des Freistaats eine Neugliederung möglich sei. Der Kulturreferent leugnet das nicht: Die Situation biete die Möglichkeit, Archivfoto: Fred Schöllhorn die frei werdenden Flächen in das Konzept zu integrieren: „Rund um den Glaspalast entsteht gerade ein neues Quartier, das mit dem Theater im Martinipark, dem Textilmuseum und den Museen auch ein kultureller Anziehungspunkt ist.“
Nicht nachvollziehbar ist für Kulturkenner laut Az-informationen die Vorgehensweise des Referenten. Denn obwohl die Kündigung der Staatsgemäldesammlungen seit einem halben Jahr auf dem Tisch liegt, war sie offenbar noch kein Thema im zuständigen Ausschuss des Stadtrats. Dabei würden dessen Mitglieder gerne ein Wörtchen mitreden, wenn es um die künftige Nutzung geht. Hintergrund: Die Stadt, die die Flächen von Glaspalast-besitzer Ignaz Walter gemietet hat, muss für die Zeit vom Auszug des Freistaats bis zum Auslaufen des Mietvertrags 2024 ein Nutzungskonzept vorlegen.
Freie Flächen für Kunst und Kultur sind in Augsburg begehrt. Dies gilt auch für den Glaspalast. Dem Vernehmen nach soll die freie Szene Interesse angemeldet haben. Aktuell sind viele Künstler rund um das Kulturhaus abraxas und den Kulturpark West im Stadtteil Kriegshaber konzentriert. Manche dieser Räume stehen aber nicht dauerhaft zur Verfügung. Kulturreferent Thomas Weitzel kann sich offenbar vorstellen, die frei werdenden Räume im Glaspalast für freie Künstler zu öffnen. An anderen Schaltstellen in der Stadtverwaltung sieht man die Sache aber wohl anders. Es gibt Meinungsverschiedenheiten. Man müsse, heißt es diplomatisch, die unterschiedlichen Ideen nun „sorgfältig abwägen“.
Eine zweite Augsburger Filiale der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die Staatsgalerie in der Katharinenkirche beim Schaezlerpalais, sei von der Entscheidung nicht betroffen, versichert der Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen. Sie laufe mit 10 000 bis 15000 Besuchern pro Jahr gut, das bekannteste Gemälde dort ist Dürers Porträt von Jakob Fugger.
Museen im Glaspalast
Der Glaspalast ist im Besitz von Ignaz Walter. Im Jahr 2002 eröff nete er dort ein eigenes Museum, in dem er seine Privatsammlung aus stellt. Im selben Jahr startete die Ga lerie Noah.
Ursprünglich sollte im Erdgeschoss das Textil und Industriemuseum einziehen, ebenfalls ein Museum des Freistaats. Die Idee wurde aufge geben, das tim zog in unmittelbarer Nähe auf dem AKS Gelände ein.
Im Glaspalast eröffneten 2006 zum Ausgleich das städtische H 2 und die Filiale der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. (nip)