Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Dallapiccola im Gefängnis
Dirk Kaftan dirigiert „Il prigioniero“
Einem spitzen Wort zufolge ging das musikalische 19. Jahrhundert in Italien erst mit dem Tod von Mascagni („Cavalleria rusticana“) 1945 zu Ende. Tatsächlich hat die Moderne in dieser Operngroßmacht erst spät Fuß gefasst, zumindest im Vergleich mit Deutschland, wo mit Bergs „Wozzeck“schon 1925 neue Wege beschritten wurden. Nach Ende von Faschismus und Krieg war es aber auch in Italien soweit – festzumachen an Luigi Dallapiccolas „Il prigioniero“(„Der Gefangene“) von 1949/50. Das keine Stunde dauernde Stück ist die erste italienische Oper mit Zwölftontechnik. Im Zentrum steht ein anonymer Kerkerhäftling, der durch Andeutungen seines Wärters Hoffnung auf Freiheit schöpft, um am Ende umso grausamer desillusioniert zu werden. Dirk Kaftan, einst Grazer (und zuvor Augsburger) Musikchef, inzwischen GMD in Bonn, legt ein weiteres Stück engagierter Opernliteratur als Live-aufnahme aus dem Grazer Opernhaus vor. Dallapiccolas ambitionierte musikalische Struktur liegt ihm ebenso am Herzen wie die Expressivität der Klangsprache. Mit dem Bariton Markus Butter steht der Produktion ein faszinierender Protagonist zur Verfügung, der die Gebrochenheit der Figur immer wieder in fiebrige Hoffnung zu überblenden versteht. Schade nur, dass wichtige Chorpassagen aufnahmetechnisch im Hintergrund bleiben. Dennoch: eine willkommene Neubelebung eines zeitlos bedeutsamen Werks.
(Oehms/naxos)