Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Veränderung durch Gerechtigkeit
Es gibt Momente im Leben, die eine Tragweite entwickeln, die über die momentane Zeit und den konkreten Raum hinausreichen. Manchmal ist es nur eine kleine Erkenntnis oder eine erstaunliche Erfahrung, die alles verändert. Die Bibel enthält Bilder von solchen Momenten: von einem Mann, der tief fällt, um dann von Gott wieder aufgerichtet zu werden; von einer Person, die erst blind werden musste, um dann richtig sehen zu können; von einem Menschen, der sein altes Leben wegwerfen musste, um bereit für seine neue Aufgabe zu sein. Ob es Paulus auch so ging? Ob Paulus von einem Moment auf den anderen oder eher in einem längeren Prozess des Fragens, Zweifelns und Prüfens zur Bereitschaft kam, alles über den Haufen zu werfen und neu zu beginnen?
Wir alle hängen am Vertrauten. Wir brauchen Verlässlichkeit. Traditionen geben Halt. Paulus hat mit diesem allem in seinem Leben Schluss gemacht. Er hat nicht nur durch seine neue Erkenntnis seine Welt auf den Kopf gestellt, sondern auch die Welt von vielen Menschen bis heute.
Damals vor Damaskus, bevor Paulus gegen die Christen ausholte, ist Gott Paulus erschienen. Da konnte Paulus erst erkennen: Ich kann mir die Gerechtigkeit Gottes nicht erwerben, erkämpfen oder erarbeiten. Sie ist ein Geschenk und ich bekomme sie ohne irgendeinen Verdienst. Das bedeutet Glaube für mich. Mehr braucht es nicht. Für Paulus wurde die Gerechtigkeit Gottes zum neuen Verlässlichen, zur Tradition, zum Anker in seinem Leben.
Am Beginn der Vorfastenzeit wird als erster Schritt auf dem Weg bis Ostern am kommenden Sonntag die Gerechtigkeit in den Blick genommen. Gottes Geschenk an uns Menschen ist die Gerechtigkeit aus Glauben. Diese Gerechtigkeit, die uns in den Texten von Paulus beschrieben wird, ist über die Zeiten der frühen Christen, der Menschen im Mittelalter wie Martin Luther und bis heute im 21. Jahrhundert ein zentraler Anker.