Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fassungslosigkeit nach Faschingsdrama
Unglück Die Suche nach den Gründen für den tragischen Unfall auf dem Umzug in Waidhofen wird wohl einige Monate dauern. Für die Veranstaltung gibt es derweil keine Zukunft
Waidhofen Bei Aresings Bürgermeister Klaus Angermeier steht das Telefon nicht still. Einen Tag nach dem schrecklichen Unfall beim Faschingsumzug im Nachbarort Waidhofen, bei dem eine 24-jährige Frau aus seinem Ort ums Leben kam, suchen Bürger bei ihm Hilfe und Antworten auf ihre Fragen. Dutzende Zuschauer müssen am Sonntagnachmittag gesehen haben, wie die junge Frau von dem Traktor überfahren worden ist, an dessen Seite sie als Sicherheitsbegleiterin gelaufen war. Unter ihnen war auch eine Frau aus Aresing mit ihrem vierjährigen Kind, mit der Klaus Angermeier gestern in seinem Amtszimmer eine halbe Stunde gesprochen hat – soweit sich eben Worte für dieses furchtbare Unglück und das Erlebte finden ließen. Am Ende des Gesprächs vermittelte der Bürgermeister die Frau an das Kriseninterventionsteam.
Auch Angermeier selbst kann nicht fassen, was sich am Sonntag im Süden des Landkreises Neuburg- Schrobenhausen zugetragen hat. Er kannte die 24-Jährige gut. Ihre Eltern betreiben das örtliche Sportheim und die Tochter half oft beim Bedienen. Den Faschingsumzug in Waidhofen hat auch er verfolgt. Als der Wagen mit der Clique aus Aresing an ihm vorbeizog, habe er noch mit ihr gescherzt, erzählt er. Nur kurze Zeit später wird die junge Frau von dem Wagen ihrer eigenen Faschingsgruppe überrollt.
Wie es dazu kommen konnte, war auch gestern nicht klar. Zum Zeitpunkt des Unglücks lief die 24-Jährige links neben dem Wagen. Sie war als Sicherheitskraft eingeteilt und hatte dafür Sorge zu tragen, dass keiner der Zuschauer unvermittelt unter die Räder kommt. Wie es sein konnte, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – selbst stürzte und so unglücklich zwischen den Schlepper und den Anhänger fiel, dass sie von dem tonnenschweren Gefährt überrollt wurde, ist eine Frage, die alle Beteiligten umtreibt und derzeit auch nicht von der Polizei beantwortet werden kann. Nach ersten Befragungen vor Ort kann zumindest ein Fremdverschulden durch Dritte ausgeschlossen werden. Zur Klärung der näheren Umstände sind aber weitere Vernehmungen und die Auswertung des unfallanalytischen Gutachtens notwendig. Das kann, so das zuständige Polizeipräsidium Oberbayern Nord,
Der Fahrer des Traktors war nüchtern
zwei oder drei Monate dauern. Erst wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, kann auch eine mögliche Schuldfrage geklärt werden. Der Fahrer des Traktors sei nüchtern gewesen, sagt die Polizei. Ob das für das Opfer ebenfalls zutraf, müsse erst untersucht werden. Darüber hinaus werde unter anderem auch der Auflagenbescheid für den Wagenaufbau geprüft. Der Traktor und der Auflieger wurden von der Polizei beschlagnahmt.
Fassungslosigkeit herrscht auch beim Veranstalter des Umzugs, der Faschingsgesellschaft Paartal-au. Waidhofens Bürgermeister Josef Archivfoto: Ralf Lienert Lechner hat mit den Vereinsverantwortlichen gesprochen, und wie es aussieht, wird der diesjährige Faschingsumzug auch der letzte gewesen sein. Lechner hat miterlebt, wie die Menschen an der Unglücksstelle traumatisiert und verzweifelt waren, wie die Feuerwehr den Bereich abgeriegelt und mit einer Plane vor neugierigen Blicken geschützt hat, wie im Feuerwehrhaus die Beteiligten von einem Kriseninterventionsteam betreut wurden und wie am Abend in der vollen Waidhofener Pfarrkirche die Menschen gebetet und geweint haben – wie er. „Ich habe selbst eine Tochter in diesem Alter. Es ist einfach ganz furchtbar...“, ringt er gestern um Worte.
Auch Klaus Angermeier kann die Tränen nicht zurückhalten, wenn er über die 24-Jährige spricht. Zusammen mit ihrem Freund wohnte sie in Schrobenhausen, doch in ihr Heimatdorf hatte sie stets einen guten Draht. Das junge Paar wollte dort sogar ein Haus bauen. Der Bauplan war bereits eingereicht. Am vergangenen Freitag erhielten sie die Genehmigung dafür.
Weil es so einfach nicht stimmt. Wir hatten schon immer einen Bäcker und einen Metzger. Jeden Mittwochmorgen findet ein Wochenmarkt statt. Im vergangenen Jahr kam dann auch noch ein Netto-markt hinzu. Allerdings beruhte die Statistik des Ministeriums offenbar auf Daten aus dem Jahr 2016. Die Studie hat mich auch deswegen besonders getroffen, weil ich mich seit 2014 dafür einsetze, die Grundversorgung im Ort sicherzustellen. Dank der jüngsten Erfolge ist die Versorgungslage in Klosterlechfeld mittlerweile also nahezu optimal.
Bevor der Netto-markt kam, gab es einige Jahre lang keinen Lebensmittelladen direkt im Ort. Wie problematisch ist das für eine Gemeinde und die Bürger? Schneider: Wenn ein Dorfladen stirbt, wirkt das auf Ortschaften wie Klosterlechfeld immer wie ein kleiner Identitätsverlust. Natürlich leben auch bei uns viele ältere Menschen. Dorfläden sind ganz wichtige Orte der Begegnung. Wenn ein kleiner Laden über ein Anschlusscafé verfügt, in dem man nach dem Einkauf Leute trifft und reden kann, hat das Konzept absolut Zukunft.
Aus ihrer Erfahrung heraus: Wie können Kommunen Dorfläden oder Supermärkte im Ort ansiedeln? Schneider: Bei uns kam ein Investor auf uns zu, der auf der Suche nach passenden Flächen war. Dorfläden haben es ohne kommunale Unterstützung schwer. Hohe Ladenmieten und Personalkosten: Sie funktionieren dann gut, wenn sie mit der Gemeinde kooperieren und in einem städtischen Gebäude nur eine niedrige Pacht zahlen müssen.
Rudolf Schneider, 60, ist Erster Bürgermeister der 2800 Einwohner zählenden Gemeinde Klosterlechfeld im Landkreis Augsburg.