Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was das Urteil für Augsburg bedeutet
Urteil Gericht erlaubt diesen Schritt für bessere Luft in Innenstädten. Handwerk spricht von einer „Katastrophe“
Städte dürfen nach einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts künftig Fahrverbote für Diesel verhängen. Auf Augsburg wird dieses Urteil zunächst keine Auswirkungen haben: Oberbürgermeister Kurt Gribl schließt Fahrverbote in der Stadt aus mehreren Gründen aus. Als Präsident des Städtetags übt er Kritik am Urteil: Die Umsetzung sei schwer, die Versäumnisse der Autoindustrie gingen zulasten der Kommunen.
Augsburg Die einen fürchten sie, die anderen sehen sie als notwendigen Schritt an, um die Luft in den Städten sauber zu bekommen. Seit Dienstag herrscht Klarheit, dass Fahrverbote in Deutschland Teil der Bemühungen sein können, die Belastung mit Stickoxiden zu senken. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärte in einem mit Spannung erwarteten Urteil ein Diesel-fahrverbot für grundsätzlich zulässig. Gerichte in Stuttgart und Düsseldorf hatten zuvor den Weg für Fahrverbote in beiden Städten freigemacht. Dagegen hatten Baden-württemberg und Nordrhein-westfalen Revision eingelegt.
Was bedeutet das Urteil nun für Autofahrer? Nicht nur in Stuttgart und Düsseldorf werden Dieselfahrverbote jetzt zur Option. Sicher ist, dass in Bayern auch in Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg Stickstoffdioxid-grenzwerte überschritten werden, erklärt Adac-verkehrsexperte Stefan Gerwens im Interview mit unserer Zeitung. „In ersten Städten könnte es schon in einigen Monaten für Euro-4-diesel dazu kommen“, warnt er. Mehrere Millionen Autofahrer in Deutschland fahren ältere Dieselfahrzeuge.
Dementsprechend scharf fiel die Reaktion aus: „Fahrverbote sind für das Handwerk eine Katastrophe“, sagte erbost Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. „Jetzt sollen die Handwerker den Kopf dafür hinhalten, dass Hersteller und Politik nicht alle möglichen Maßnahmen ausgeschöpft haben.“Handwerker fahren häufig Dieselautos. Ähnlich sieht es die Industrie: „Fahrverbote sind aus Sicht der Wirtschaft das grundsätzlich falsche Instrument“, meinte Josef Brandner von der Industrieund Handelskammer Schwaben. Deshalb sei es richtig, dass das Gericht sie nur „ausnahmsweise“zulasse. Tatsächlich seien dem Urteil zufolge Fahrverbote erst dann verhältnismäßig, wenn andere Maßnahmen ausgeschöpft wurden, erklärt Adac-experte Gerwens. Das habe das Gericht in Leipzig extra betont. Das Urteil sehe zudem Übergangsfristen und eine gestufte Einführung von Fahrverboten vor.
Stickoxide gelten als schädlich für die Gesundheit, vor allem für die Atemwege. Die Deutsche Umwelthilfe, die in Stuttgart und Düsseldorf geklagt hatte, feierte deshalb die Entscheidung: „Ich glaube, wir haben heute einen ganz großen Tag für die saubere Luft in Deutschland erreicht“, sagte Umwelthilfe-chef Jürgen Resch. Um das Urteil umzusetzen, fordert die Umwelthilfe die Einführung einer „blauen Plakette“für Dieselautos. Fahrzeuge, die die gesetzlichen Grenzwerte einhalten, würden nach dem Willen der Befürworter eine bekommen, die anderen nicht.
Um Fahrverbote zu vermeiden, fordert Adac-fachmann Gerwens die „bauliche Nachrüstung“relativ neuer Dieselautos mit Abgasnorm Euro 5, also den Einbau spezieller Katalysatoren. Wie groß aber ist die Gefahr von Fahrverboten in unserer Region tatsächlich?
In der Stadt Augsburg sieht man Fahrverbote derzeit nicht als Lösung an, die „infrage kommt“, wie Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) sagt. Augsburg will mit anderen Mitteln die Grenzwerte einhalten. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) meinte gestern, sie gehe davon aus, dass das Urteil nur begrenzte Folgen haben werde: „Es geht um einzelne Städte, es geht aber wirklich nicht um alle Autobesitzer in Deutschland.“
Das Interview mit Adac-experte Stefan Gerwens lesen Sie zusammen mit anderen Hintergründen auf der Wirtschaft. Was das Urteil für die Fahrer bedeutet, erklärt Jürgen Marks im Kommentar.