Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Macht der Laienforscher
Blick in die Geschichte
und sofort loslegen – zum Beispiel mit dem Fotografieren von Grabsteinen und dem Erfassen von Inschriften. Das hilft der Familienforschung, soll aber auch die Begräbniskultur für spätere Generationen dokumentieren. Oder wie wäre es, ganz aktuell, mit einer Teilnahme am Projekt „hackair“zur Feinstaubmessung. Alles was man dazu braucht ist ein Smartphone und die von der Naturschutzorganisation BUND herausgegebene App, die aus Fotos vom Himmel Rückschlüsse auf die Feinstaubkonzentration in der Luft ziehen kann.
Erfolgreiche Hobby-forscher wie Apitzsch zeichnen sich durch ihr explizites Fachwissen aus, das sie sich meist selbst und aus reiner Neugier angeeignet haben. Nach der Zahl der entdeckten Asteroiden belegt
Spezialwissen bekommt man in keinem Studium
Sternengucker Apitzsch in Deutschland mittlerweile Platz acht in der Rangliste, bei den hobbybetriebenen Observatorien landet er sogar auf Platz zwei. „Amateure können heute das leisten, was Profis vor zwanzig Jahren machen konnten“, sagt Apitzsch. „Mit viel Geduld und ein wenig Glück kann man auch als Amateur etwas erreichen“, sagt er und denkt an 2008, als er mit anderen Hobby-forschern Us-profis half, einen Asteroiden aufzuspüren, der in Richtung Erde schoss und letztlich im Sudan einschlug. Nur dank des Engagements von Menschen wie Apitzsch ließ sich der Einschlagsort auf hundert Kilometer genau eingrenzen.
Aber auch in vielen anderen Bereichen hat sich die Zusammenarbeit zwischen Forschern und Bürgerwissenschaftlern bewährt: Im vergangenen Jahr machte eine Gruppe von Insektenkundlern auf sich aufmerksam, als eine Meldung von einem dramatischen Insektensterben durch die Medien ging. Vermutet hatten das Forscher schon lange, doch die entscheidenden Daten sammelte der ehrenamtlich geführte „Entomologische Verein Krefeld“. Martin Sorg, Vorstandsmitglied des Vereins, sieht die Bezeichnung „Hobby-forscher“deswegen kritisch: „Besonders in der Insektenkunde ist der Übergang zum Experten fließend. Hobbyforscher haben oft schon nach einer gewissen Zeit ein Spezialwissen, das man bei keiner universitären Biologen-ausbildung erwerben kann.“Auch Peter Finke, emeritierter Professor für Wissenschaftstheorie und Experte für „Citizen Science“, plädiert seit Jahren für mehr Anerkennung der Amateurforscher. „Das Wissen der Laien wird in der Wissenschaft noch immer unterschätzt.“
Dabei könne die Amateurwissenschaft elementare Basiswissenschaft betreiben, für die die Universitäten und Institute oft kein Geld übrig hätten. Hobby-astronom Apitzsch wartet schon darauf, dass die Nächte wärmer werden und der Himmel klarer wird. Dann geht er wieder raus in sein Observatorium und zielt mit seinem Teleskop in den Nachthimmel. Ihm geht es weder um Geld noch um Anerkennung, sagt er. Die Astronomie ist und bleibt sein Hobby – und das soll vor allem Spaß machen. HISTORISCHE STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST