Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das war zu wenig. Schuld ist auch die Stadt
WVON RICHARD MAYR as war positiv am Brechtfestival? Die Gastspiele, vor allem des Maxim Gorki Theaters, die Lange Brechtnacht, auch die Beiträge der Augsburger Akteure, etwa des Theaters Augsburg und des Sensemble Theaters. Gefehlt hat trotzdem ziemlich viel. Zum Beispiel der Glanz. An prominenten Künstlern ist Patrick Wengenroth als Festivalmacher nicht interessiert. Aber ein Konzept, wie er es trotz des Verzichts schafft, mit dem Festival mehr als nur Programm für Augsburg zu machen, bleibt Wengenroth bislang schuldig. Als Schriftsteller hat Bertolt Brecht weltweit Bekanntheit, das Festival, das ihm zu Ehren in seiner Heimatund Geburtsstadt veranstaltet wird, ist spätestens 2018 zu einem lokalen Ereignis geworden. Das große Literaten-fest, umjubelte Gala-abende, eine schlagzeilenträchtige Brecht-uraufführung, eigene Festival-produktionen – das war einmal.
Wengenroth hat schon bei der Programmpräsentation, dann zur Eröffnung und während des Festivals damit kokettiert, dass er eigentlich nur noch Marketing mache. Nach diesen zehn Tagen muss man sagen – da ist leider etwas dran. Er gestaltete mit seinem Team den Internetauftritt um. Optisch war auch das Programmheft toll gestaltet, das Festivalmotto war allerdings nur beiläufig auf den hinteren Seiten erklärt. Wozu dann ein Motto und die Ich-wir-plakatkampagne? Der Werkstatt-tag hielt konzeptionell nicht das, was er laut Programm sein sollte, die Diskussion mit Bazon Brock, Kathrin Röggla und Stefanie Sargnagel endete als ein Desaster. Eigene Festival-ausrufezeichen waren Mangelware. In diesem Zustand ist das Festival reif für einen Neuanfang.
Und das heißt für die Stadt Augsburg, dem Festivalleiter endlich die Freiheit zu geben, ein eigenes Festival zu entwickeln. Die hatte Wengenroth bislang nicht. Vielleicht macht er deshalb in diesem Jahr eine so unglückliche Figur. Im Grund hat er den Rahmen seines Vorgängers übernommen. Schon im vorhinein steht ja fest, wer alles bei dem Festival berücksichtigt werden soll. Hinzu kommt der irre Veranstaltungstermin mitten im Winter ohne erkennbaren Bezug zu Brecht. Künstlerische Freiheit hieße, dass der Leiter entscheidet, ob das Festival nur an vier oder an zehn Tagen stattfindet, ob die Augsburger Szene stark oder überhaupt nicht eingebunden wird. Erst dann bekommt das Festival als Ganzes eine künstlerische Handschrift. mehrfach fällt das Stichwort „Queer“(„Shakespeare war ein queerer Autor“). Außerdem erzählt Salzmann, wie sie die Proteste im Gezi-park in Istanbul erlebte, von den alten demonstrierenden Frauen bis zur Gewissheit, dass nach dem Flüchtlings-deal von Deutschland mit der Türkei etwas Schlimmes in dem Land passieren werde.
Stark das Finale. Das Maxim Gorki Theater aus Berlin zeigt seine Winterreise, gespielt von dem 2016 gegründeten Exil-ensemble des Theaters. Die Schauspieler, alle aus ihrer Heimat geflohen, haben im Januar 2017 eine zweiwöchige Kennenlern-bustour durch Deutschland unternommen – mit der Regisseurin Yael Ronen. Auf der Bühne im Martinipark gibt das starke Darsteller-ensemble einen Einblick davon: erzählt in Deutsch, Englisch, Syrisch, Arabisch. Erste Station Dresden, aber nicht der Barock, sondern montags Pegida. Und was steht da auf den Plakaten? Fatima Merkel? „Ich wusste gar nicht, dass sie auch Muslimin ist.“Dass der deutsche Reiseleiter in der zweiten Station Buchenwald statt Weimar zeigt, bereitet allen Albträume – gegen die auch nicht die Dating-app für Flüchtlinge hilft. „Deutsche haben in den verschiedensten Positionen Sex miteinander, im Liegen, Stehen und in der Hocke“– „Ah ja, danke für so viel Erklärung“. Dieser Blick des Theaters und des Ensembles auf ein Thema, das gerade wie kein zweites die Menschen polarisiert, ist irre komisch. Dazu glänzen die Schauspieler durch ihr Können (und nicht nur durch ihre Geschichte), der Applaus am Schluss ist gewaltig, die hinteren Reihe stehen, ein Gewinn, dieser Abend.