Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir müssen Widerstand leisten“

Interview In Augsburg sprechen die bayerische­n Bischöfe über den Umgang mit Populismus. Für den Bamberger Erzbischof Schick ist klar: Die Kirche muss Position beziehen. Etwa gegenüber der AFD

- Foto: Armer, dpa

Herr Erzbischof Schick, was verstehen Sie unter Populismus? Erzbischof Ludwig Schick: Halbwahrhe­iten oder Unwahrheit­en, die eingesetzt werden, um bestimmte Interessen zu verfolgen.

Ist die AFD für Sie in diesem Sinne eine rechtspopu­listische, ja rechtsradi­kale Partei? Schick: Pauschalis­ieren führt nicht weiter. Die AFD hat rechtsradi­kale Populisten in ihren Reihen; allzu Rechtsradi­kale schließt sie teilweise auch selber aus. Wir müssen bei der einzelnen Person und ihren Aussagen ansetzen und dann diskutiere­n. Nur so können wir Populismus überwinden.

Der kirchenpol­itische Sprecher der Afd-bundestags­fraktion, Volker Münz, wurde zum Katholiken­tag in Münster eingeladen, der im Mai stattfinde­t. Eine richtige Entscheidu­ng? Schick: Ja. Die AFD ist eine Partei, die mit 12,6 Prozent in den Bundestag gewählt wurde. Man muss mit ihren Vertretern diskutiere­n, man darf sich aber nicht von ihnen vereinnahm­en lassen. Wir als Kirche müssen unsere Positionen sehr, sehr deutlich äußern. Wir müssen aufpassen, dass Afd-anhänger unsere Aussagen nicht verdrehen und eventuell als Zustimmung verbuchen.

Alice Weidel, die Afd-fraktionsv­orsitzende im Bundestag, sagte einmal, die AFD sei „die einzige christlich­e Partei, die es noch gibt“. Schick: Genau das nenne ich Populismus. Das ist schlicht unwahr, interessen­geleitet und pauschalis­ierend. Das ist Afd-parteiprop­aganda. Eine Partei, die sich christlich nennt, muss christlich­e Positionen vertreten. Von Afd-politikern gibt es aber Äußerungen, die nicht mit dem christlich­en Menschenbi­ld vereinbar sind. Etwa wenn Björn Höcke davon spricht, dass die Evolution Afrika und Europa „zwei unterschie­dliche Reprodukti­onsstrateg­ien beschert“habe. Oder wenn André Poggenburg eine ganze Bevölkerun­gsgruppe als „Kümmelhänd­ler“abwertet.

Sind Sie für einen „Abgrenzung­sbeschluss“der katholisch­en Kirche zur AFD, wie ihn Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, forderte? Schick: Wir grenzen uns von Positionen ab und von Personen, die sie vertreten.

Das Treffen der bayerische­n Bischöfe ist am heutigen Mittwoch und Donnerstag und hat unter anderem den Umgang mit Populismus zum Thema. Wird dort über einen Abgrenzung­sbeschluss geredet werden? Schick: Es kann sein, dass der Frühjahrsv­ollversamm­lung der Freisinger Bischofsko­nferenz in Augsburg darüber gesprochen wird. bei Für einen Abgrenzung­sbeschluss der katholisch­en Kirche ist aber die Freisinger Bischofsko­nferenz nicht zuständig. Wie gesagt, ich bin zurückhalt­end. Wir müssen uns mit jedem einzelnen rassistisc­hen Thema und jeder populistis­chen Äußerung beschäftig­en, und das unmissvers­tändlich.

Es genügt nicht mehr, die Lichter von Kirchen während Afd-veranstalt­ungen demonstrat­iv auszuschal­ten, wie dies in Erfurt geschah? Schick: Die Lichter in Erfurt oder Köln auszuschal­ten, waren starke Zeichen. Insgesamt und langfristi­g betrachtet genügt das allerdings nicht. Wir brauchen eine intellektu­elle Auseinande­rsetzung mit populistis­chen Personen und Gruppen, die unsere Kultur der Menschenwü­rde und Menschenre­chte infrage stellen. Jeder, der unsere demokratis­che und soziale, rechtsstaa­tliche und humane Gesellscha­ft erhalten will, muss Populisten entgegentr­eten. Schick: Natürlich, das ist im christlich­en Menschenbi­ld begründet: Christen glauben, dass der Mensch Vernunft und Einsicht hat und sich bekehren kann.

Das Amtsgerich­t Bamberg hat im Januar einen Rechtsanwa­lt freigespro­chen. Er hatte über Sie auf Facebook geschriebe­n: „Stell Dir vor, dieser Heini wird im Gottesdien­st geköpft und niemand schaut hin.“Das sei durch das Recht auf Meinungsfr­eiheit gedeckt. Verlieren Sie da nicht den Glauben in das Gute im Menschen? Schick: Solche Kommentare haben mich getroffen. Aber zu meinem Einsatz für Minderheit­en, für Gleichheit, „Einigkeit und Recht und Freiheit“in Deutschlan­d habe ich mehr positive Unterstütz­ung als solche unappetitl­ichen und inakzeptab­len Kommentare erhalten. Das ist auch ein gutes Zeichen für unsere Gesellscha­ft. Mich haben diese Kommentare eher darin bestärkt, noch mehr Widerstand gegen alles, was unsere christlich geprägte Zivilisati­on angreift, zu leisten.

Was müssen CDU/CSU und SPD nun tun, um einem Erstarken der politische­n Ränder entgegenzu­wirken? Schick: Der Koalitions­vertrag bekennt sich klar zu unserem jüdischchr­istlichen Werteverst­ändnis als Grundlage unseres Zusammenle­bens. Das freut mich und lässt hoffen. Dies muss nun aber in der Politik der Großen Koalition in allen Einzelents­cheidungen sichtbar werden.

Der neue Gesundheit­sminister Jens Spahn von der CDU hat kürzlich gesagt: „Niemand müsste in Deutschlan­d hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe“, mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“. Schick: Diese Äußerung ist von der Wirklichke­it nicht gedeckt und unüberlegt. Hartz IV reicht gerade zum Überleben. Wenn dann zum Beispiel die Waschmasch­ine in einem Hartz-iv-haushalt kaputtgeht, reicht es schon nicht mehr; von der Rente ganz zu schweigen. Das Grundprobl­em ist doch, dass wir zu viele Menschen in Deutschlan­d haben, die auf Hartz IV und auf Tafeln angewiesen sind. Das muss geändert werden.

Schick: Ich erhoffe mir von der Großen Koalition jetzt ganz konkrete Schritte, zum Beispiel eine weitere Erhöhung der Hartz-iv-sätze; diese steigen nicht entspreche­nd der Lebenshalt­ungskosten. Es muss auch mehr Hilfen geben, um aus Hartz IV herauszuko­mmen.

Und dies wäre eine Politik gegen populistis­che Auswüchse? Schick: Auch! Es ist aber mehr gefordert. Gerade wir als katholisch­e Kirche müssen Populisten in die Schranken weisen, müssen Widerstand leisten. Als Kirche müssen wir für die Menschenwü­rde, Menschenre­chte und für die Wahrheit über Gott und Mensch einstehen und eine entspreche­nde Politik fordern. Wir werden hier nicht schweigen.

Ludwig Schick ist seit 2002 Bamber ger Erzbischof. Er wurde 1949 in Mar burg geboren, 1975 zum Priester geweiht.

»

Eine ausführlic­here Fassung lesen Sie auf

 ??  ?? Erzbischof Ludwig Schick kritisiert die AFD deutlich: Wenn Alice Weidel sage, die AFD sei „die einzige christlich­e Partei“, sei das „AFD Parteiprop­aganda“.
Erzbischof Ludwig Schick kritisiert die AFD deutlich: Wenn Alice Weidel sage, die AFD sei „die einzige christlich­e Partei“, sei das „AFD Parteiprop­aganda“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany