Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Heute vermissen viele TTIP
DVON MICHAEL KERLER er freie Warenverkehr ist lebenswichtig für die entwickelten Volkswirtschaften der Industrieländer. Eine große Zahl deutscher Arbeitsplätze hängt am Export. Us-präsident Donald Trump zieht deshalb Kritik auf sich, weil er Strafzölle auf Stahl und Aluminium erheben will. Er schützt Stahlund Industriearbeiter in den USA, die vom Aufschwung wenig abbekommen haben. Stattdessen mussten sie zusehen, wie immer mehr ihrer Jobs im weltweiten Wettbewerb verloren gingen. Verständlich, dass sie auf den Freihandel keinen Pfifferling geben. Aber nicht nur die USA, viele Regionen haben es versäumt, die Früchte des Freihandels gerechter zu verteilen und Verlierer zu entschädigen. Das gilt auch für Europa.
Es ist nicht lange her, dass in Deutschland die Proteste gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP immer schriller wurden. Zusammen mit der Globalisierung ist der Freihandel hierzulande in breiten Bevölkerungsschichten nicht wohlgelitten. Trump war es am Ende, der TTIP absagte. Heute wäre die deutsche Wirtschaft angesichts der drohenden Zölle über eine vergleichbare Initiative froh.
Damit das Ansehen des Freihandels nicht noch mehr leidet, müssen die Staaten den durch ihn erzeugten Wohlstand gerechter verteilen. setzt wird. Produkte werden teurer, viele Arbeitsplätze könnten weltweit in Gefahr geraten. Deutschland und die EU wollen die von Trump erlassenen Schutzzölle auf Stahl und Aluminium deshalb in letzter Minute abwenden. Wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttreten am Freitag stehen in dieser Woche in den USA mehrere Krisengespräche an.
Eines absolvierte Wirtschaftsminister Altmaier gestern in Washington. Er trifft seinen Us-amtskollegen Wilbur Ross – und zeigt sich danach erstaunlich zuversichtlich. „Ich bin heute Mittag um einige Prozent optimistischer, als ich heute Morgen vor Beginn der Gespräche war“, sagt er. „Wir haben beide den Eindruck gewonnen, Secretary Ross und ich, dass es in dieser Woche entscheidende Gespräche geben wird und dass es möglich ist, zu einer Lösung zu kommen, die ein Abgleiten in einen schweren Handelskonflikt noch verhindern kann.“Heute will Eu-handelskommissarin Cecilia Malmström Ross treffen.
Ökonomen befürchten längst dramatische Folgen für die Weltwirtschaft. Das Ifo-institut fürchtet nach der Ankündigung der Us-zölle auf Stahl und Aluminium eine Ausweitung auf weitere Branchen. „Das könnte zu einer Untergrabung der Welthandelsorganisation WTO führen und die über Jahrzehnte hinweg mühsam erzielten Fortschritte bei der Liberalisierung des Welthandels ernsthaft gefährden“, sagt der Leiter des Ifo-zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr. „Vieles sieht bei Trump nach Willkür aus.“