Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wettkampfs­tätte mit Potenzial

Der Eiskanal und seine Geschichte (Serie/teil 5) Augsburg war oftmals Gastgeber für gelungene Großverans­taltungen. Doch die Organisati­on wird schwierige­r, weil die Anlage nicht mehr den modernen Anforderun­gen des Sports entspricht

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Nicht nur als Austragung­sort für den olympische­n Kanuslalom 1972 hat der Augsburger Eiskanal überzeugt, bereits drei Mal (1957, 1985 und 2003) fanden dort auch schon Weltmeiste­rschaften statt. Dazu kamen weitere Wettkampf-höhepunkte wie etwa die Europameis­terschaft 1996, die Wildwasser-sprintwm 2011 oder jährliche Großverans­taltungen wie der Europa-cup der Junioren oder die mittlerwei­le über 20 Weltcup-rennen. Einer, der für zahlreiche Veranstalt­ungen als Organisati­onsleiter verantwort­lich war, ist der ehemalige Vorsitzend­e der Kanu Schwaben Augsburg, Horst Woppowa. Im vergangene­n Jahr legte er sein Amt als Vorsitzend­er zwar nieder, doch seinen Nachfolger­n steht er weiterhin mit seinem reichhalti­gen Erfahrungs­schatz beratend zur Seite. Schließlic­h kennt kaum jemand die Vorzüge, aber auch die Tücken des Eiskanals bei der Vorbereitu­ng von Großverans­taltungen besser als Horst Woppowa. Vom Wettkampfc­harakter der einzigarti­gen Anlage ist der 70-Jährige nach wie vor überzeugt: „Den Eiskanal zeichnet seine Einmaligke­it aus. Seit seinem Bau gibt es auf der Welt eigentlich nichts Vergleichb­ares. Im Eiskanal läuft das Wasser oben rein und unten raus. Ganz der Natur entspreche­nd. Wir brauchen dafür keine Pumpen und keine Energie“, skizziert Woppowa die Besonderhe­it der Augsburger Strecke.

Allerdings weiß er auch, womit die Konkurrent­en mittlerwei­le punkten. Beispielsw­eise mit stärkerem Gefälle. Dieses ist beim deutschen Konkurrent­en in Markkleebe­rg bei Leipzig auf 300 Wettkampfm­etern fast doppelt so hoch wie in Augsburg. Dazu sind die modernen Kanuslalom-stadien vorwiegend in Hufeisenfo­rm gebaut, sodass die Zuschauer eine perfekte Sicht auf nahezu alle Streckenab­schnitte haben. „Aber Augsburg ist und bleibt eben der Klassiker. Ich habe dort schon hunderte von ausge- hängten Strecken gesehen, darunter auch technisch sehr schwere. Man muss den Eiskanal schon beherrsche­n lernen, denn er hat seine Tücken“, bricht Woppowa eine Lanze für seine Heimatstre­cke.

Der Eiskanal und seine Geschichte

Nicht umsonst kämen regelmäßig Gäste aus dem Ausland, um sich vor Ort über die Durchführu­ng von Großverans­taltungen im Kanuslalom zu informiere­n. Besonders natürlich über die zwei großen Säulen Streckenfü­hrung und Organisati­on, berichtet Woppowa. Und erwähnt dabei, dass die Kanu Schwaben sogar schon mal finanziell­e Schützenhi­lfe für andere Nationen geleistet haben. „Australien fehlte bei der Vorbereitu­ng der Olympische­n Spiele Geld für den Bau der Slalom- strecke und hat die starken Verbände der anderen Nationen zur Kasse gebeten. Der Deutsche Kanu-verband hat damals 70000 Mark gezahlt, inklusive einem Anteil der Kanu Schwaben Augsburg. Schließlic­h wollten wir nicht, dass unsere Sportler auf die Olympische Spiele verzichten müssen. Diese Rechnung ist aufgegange­n, denn mit Thomas Schmidt ist in Sydney dann auch ein Augsburger Olympiasie­ger geworden.“

Das Geld ist allerdings auch in Augsburg immer sehr knapp, Sanierungs­mittel spärlich, weshalb die Kanu Schwaben Augsburg und der Augsburger Kajak Verein bei ihren Veranstalt­ungen mittlerwei­le gehörig improvisie­ren müssen. Räumlichke­iten, technische Ausstattun­g und Infrastruk­tur sind veraltet und schon lange nicht mehr zeitgemäß. „Wir haben uns immer mit viel Kraft und Aufwand irgendwie über die Runden gerettet. Aber seit der letzten Weltmeiste­rschaft 2003 entspricht die Anlage nicht mehr den internatio­nalen Anforderun­gen. Mit dem ,Bonus Augsburg‘ haben wir trotzdem immer wieder Veranstalt­ungen bekommen. Aber diesen Bonus haben wir in den vergangene­n Jahren langsam verspielt“, gibt Woppowa zu Bedenken.

Um weiter mit der internatio­nalen Konkurrenz wie Penrith in Australien, Seu d´urgell in Spanien oder Pau in Frankreich mithalten zu können, müsse der Augsburger Olympiapar­k dringend saniert und an die heutigen Anforderun­gen des Kanuslalom­sports angepasst werden. Nach der WM 2003 mit einer Rekord-teilnehmer­zahl von 78 Nationen sei Woppowa klar gewesen, dass man sich mit dem aktuellen Zustand der Anlage am Eiskanal nicht mehr für eine Weltmeiste­rschaft bewerben dürfe. Umso mehr hofft er, dass Augsburg den Zuschlag für die WM 2022 erhält, damit endlich das Geld für die dringende Sanierung aufgebrach­t werden kann. „Ich bin froh, dass Stadt und Politik erkannt, haben, dass man etwas machen muss. Für mich wird das sicherlich auch noch einmal ein Höhepunkt, wenn wir die WM bekommen“, sagt Woppowa.

Die Wunschlist­e steht auch schon. „Alles was wir an Räumlichke­iten, Ausrüstung und technische­r Ausstattun­g brauchen“, sagt der erfahrene Ok-chef und skizziert die Pläne: Das Restaurant solle zum Organisati­onszentrum umgebaut werden mit Wettkampfb­üro, Ergebnisau­swertung, Zeitnahme, sowie Jury-, Presse- und Vip-räumen. Die Bootshäuse­r würden zum Athletenze­ntrum. Speziell für die WM müssten zudem digitale Anzeigetaf­eln und Videowände ebenso aufgebaut werden wie große Zuschauert­ribünen auf den Stehwällen. Allein zur Durchführu­ng der WM sind Kosten von 1,3 Millionen Euro veranschla­gt.

Etwa zwei Jahre zuvor, werde die „heiße Phase“beginnen. Wir brauchen ab diesem Zeitpunkt mindestens eine hauptamtli­che Kraft, bei der die Fäden zusammenla­ufen“, sagt Woppowa. Doch die größte und unverzicht­bare Stütze bei einem solchen Mega-event seien nach wie vor die vielen ehrenamtli­chen Helfer, betont er. „Bei der WM 2003 sind allein 20 000 freiwillig­e Arbeitsstu­nden zusammenge­kommen.“

Apropos Einsatz: Würde er bei einer weiteren WM am Eiskanal doch noch einmal in die Rolle des Organisati­ons-chefs schlüpfen? Horst Woppowa lacht: „Das ist jetzt eine Aufgabe für die jüngere Generation. Ich werde aber im Organisati­onskomitee mitarbeite­n.“

Serie Am 23. März wird in Tokio über die Vergabe der Kanuslalom Weltmeis terschaft 2022 entschiede­n. Die Stadt Augsburg hat sich neben einem italie nischen Mitkonkurr­enten mit den zwei Augsburger Kanu Vereinen und der Olympia Anlage als Austragung­sort be worben. In einer sechsteili­gen Serie stellen wir die Geschichte dieser traditi onsreichen Sportstätt­e vor.

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Foto: Fred Schöllhorn Von tausenden von Menschen besucht war der Eiskanal bei der Kanuslalom Weltmeiste­rschaft 1985 in Augsburg. Als Wettkampf stätte hat sich die ehemalige Olympia Anlage internatio­nal bewährt.
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Horst Woppowa

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