Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Problem lässt sich nicht einschränken“
Digitales Ein Kettenbrief über Whatsapp bedroht Kinder mit dem Tod. Polizist und Netzexperte Thomas Effinger erklärt, wie schwierig solche Ermittlungen sind und was Eltern tun können
Herr Effinger, Sie sind Experte für Internet-kriminalität bei der Polizei in Schwaben. Derzeit geht ein Kettenbrief um, der Kinder per Whatsapp mit dem Tod bedroht. Eine Computerstimme sagt, sie werde jeden „in einer brutalen Weise“umbringen, der den Brief nicht weiterleitet. Wie groß ist die Chance, in solchen Fällen den Urheber zu finden? Thomas Effinger: Den tatsächlichen Urheber zu finden, dürfte vermutlich eher schwierig sein, da Kettenbriefe in der Regel über viele Stationen und auch verschiedenste Medien hinweg geteilt werden. Man müsste also von Nachricht zu Nachricht in die Vergangenheit springen, um den ursprünglichen Absender zu finden.
Um überhaupt ermitteln zu können, brauchen Sie einen konkreten Ansatzpunkt. Wo könnte man bei der Kettenbrief-geschichte anknüpfen? Effinger: Hinweise könnten im Inhalt und im genauen Wortlaut des Kettenbriefs enthalten sein. Verwendete Rufnummern, E-mailadressen oder in der Nachricht enthaltene Links könnten natürlich auch Ansatzpunkte sein. Fände man tatsächlich einen Verdächtigen, könnte man je nach Schwere der Tat zum Beispiel Durchsuchungs- und Überwachungsmaßnahmen starten. Dafür müsste durch die Verbreitung eines solchen Briefs aber eine Straftat vorliegen.
Jemanden mit dem Tod zu bedrohen, ist eine Straftat. Der Kettenbrief ist ohne Zweifel ein besonders krasser Fall. Haben Sie schon einmal in einem ähnlich gelagerten ermittelt? Effinger: In Bezug auf einen Ketten- noch nicht. Wenn es um die Ermittlung von Personen geht, die verbotene Inhalte gepostet haben, dann ja und das auch häufig mit positiven Erfolg – zum Beispiel, wenn Personen beleidigende, volksverhetzende oder drohende Posts verfassten.
Whatsapp hat weltweit mehr als 1,5 Milliarden Nutzer. Bislang muss man mindestens 13 Jahre alt sein, um die App zu nutzen. Jüngere brauchen das Einverständnis ihrer Eltern. Jetzt plant Whatsapp mehreren Medien zufolge, das Mindestalter für die Nutzung von 13 auf 16 Jahre zu erhöhen. Nützt das Ihrer Meinung etwas? Effinger: Ich wüsste nicht, wie ein Hinweis auf das Alter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder ein Feld für das Geburtsdatum bei der Registrierung einen Zwölf- oder 15-jährigen Nutzer davon abhalten sollte, sich zu registrieren. Die eingegebenen Daten werden nicht weiter überprüft, ich kann dementsprebrief chend eingeben, was ich will. Es hört sich also für die Öffentlichkeit gut an, wenn das Alter angehoben wird. Die Annahme, dass das allerdings irgendeinen positiven Effekt hat, ist meines Erachtens Utopie.
Wie könnte man sonst sicherstellen, dass Kinder nicht unberechtigt Whatsapp nutzen? Effinger: Solange keine eindeutige Identifizierung erfolgt, zum Beispiel mit der elektronischen ID des Personalausweises, wird sich das nicht einschränken lassen.
Effinger: Ja, denn viel wichtiger ist in meinen Augen eine gute Erziehung mit den essenziellen Werten und Normen unserer Gesellschaft durch die Eltern. Sie sollten auch gemeinsam mit ihren Kindern die ersten Schritte in der digitalen Welt gehen. Nicht nur, um ihre Kinder an diese Medien heranzuführen, sondern auch, um sie selbst zu verstehen.
Sind auch die Schulen in der Pflicht? Effinger: Natürlich. Eine frühzeitige Bildung und Prävention im Bereich der Online-medien und den damit verbundenen Gefahren sind nötig. Dann würde vielleicht der ein oder andere Kettenbrief nicht weitergeleitet oder entwickelt. Und die Empfänger wären besser in der Lage, mit so einem Post umgehen können.
Thomas Effinger, 36, ermittelt bei der Kriminalpolizei Schwaben Nord in Augsburg seit elf Jahren im Kommissariat für Cybercrime. Als aktiver Polizist will er sein Foto nicht in der Zeitung sehen.