Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Über der Stadt Augsburg wehte drei Jahre lang die Flagge der schwedischen Eroberer
Schanze kontrolliert, der kontrolliert Donauwörth“, sagt Seuffert. Der Stadt blieb nach heftigen Angriffen letztendlich nichts anderes übrig, als zu kapitulieren. „Die Bewohner hatten aber großes Glück. Die Zivilisten wurden verschont, denn die Bauern sollten ihre Felder schnell wieder bestellen“, sagt Seuffert. Die schwedischen Eroberer taten das allerdings nicht aus reiner Nächstenliebe. Ihre gewaltige Armee musste versorgt werden. Und die Felder in Nordschwaben mussten dafür herhalten, die Mägen der Soldaten zu füllen. Ein Phänomen, das an vielen Orten auftrat und das zu großen Hungersnöten in der Bevölkerung führte.
Doch Donauwörth war schon Jahre zuvor, noch vor Kriegsbeginn, ein wichtiger Schauplatz. Hier wurde klar, wie brüchig der Frieden zwischen den Konfessionen war. Als „Kreuz- und Fahnengefecht“bezeichnen Historiker einen Zwischenfall im Jahr 1606. Das Wort Gefecht ist vielleicht übertrieben – eigentlich handelte es sich um eine handfeste Schlägerei. Eine katholische Bittprozession war von dem Kloster Heilig Kreuz aus auf dem Weg in die Stadt. Am Donautor wurden die Katholiken allerdings von einem wütenden Mob abgefangen. Die Meute der evangelischen Stadtbevölkerung stürzte sich auf die Mitglieder der Prozession, prügelte auf die Menschen ein und riss ihre Fahnen in Stücke.
Ein klarer Verstoß gegen den Augsburger Religionsfrieden, der solche Auseinandersetzungen verhindern sollte. An jener Stelle, wo damals die zerfetzten Fahnen den Boden bedeckten, rauschen heute Autos in Donauwörths Altstadt. Eine Hauswand entlang der Straße „Umkehr“ziert ein Wandgemälde, das die damalige Szene zeigt. Der Name „Umkehr“verweist ebenfalls auf das Scharmützel – für die Prozession war an dieser Stelle eine Sackgasse. Am 31. Oktober 2017 setzte die Stadt Donauwörth ein weiteres Wahrzeichen, indem sie die Brücke über den Fluss Wörnitz in „Friedensbrücke“umbenannte. Ein Zeichen der Versöhnung – wenn auch ein spätes.
Nach ihren Eroberungen in Nordschwaben machten sich die Schweden in den Süden auf. Sie wanderten den Lech entlang nach Augsburg – einer Stadt im Aufruhr. Eigentlich hätten dort die Konfessionen gut miteinander auskommen sollen, wurde dort doch 1555 der Religionsfrieden geschlossen, der gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen verhindern sollte. Aber die Realität sah anders aus. Nach einem Erlass des Kaisers Ferdinand II. im Jahr 1628 wurden die Protestanten – der größte Teil der Stadtbevölkerung – unterdrückt. Evangelische Bürger wurden aus Ämtern geworfen, die Kirchen wurden von Katholiken beschlagnahmt.
Das Blatt wendete sich mit der Ankunft der Schweden. Kampflos zog das überlegene Heer 1632 in Augsburg ein, der schwedische König Gustav Adolf bezog den Fuggerstadtpalast. Das prächtige Gebäude mit der goldbraunen Fassade ist heute eine beliebte Touristenattraktion. Über den Garten im Innenhof schlendern an schönen Tagen zahlreiche Besucher. Ein großer Erker ragt aus der Wand heraus. „Der Kaisererker“, sagt der Augsburger Historiker Wolfgang Wallenta. Schon seit 17 Jahren führt er Geschichtsinteressierte vor diesen Erker. „In diesem Gebäudeteil haben die mächtigen Herrschaften gewohnt. Gustav Adolf war da sicher keine Ausnahme“, sagt er. Persönliche Hinterlassenschaften des Königs gibt es nicht in Augsburg. Aber ein Gemälde, das damals von ihm entstanden ist, hängt noch heute im Maximilianmuseum.
Die schwedische Regentschaft in Augsburg dauerte aber nicht ewig. Weniger als drei Jahre später, Ende 1634, standen katholische Truppen vor der Stadt und riegelten sie komplett ab – es kam zur Belagerung. „Für die Menschen war das grausam. Sie verhungerten oder starben kläglich an Krankheiten“, sagt Wallenta. Doch die schwere Zeit brachte auch eine Sagengestalt in Augsburg hervor: den Steinernen Mann. Der Sage nach gab es in der Stadt einen mutigen Bäcker namens Konrad Hacker. Nach monatelanger Hungerzeit versuchte er die Belagerungsarmee zu täuschen. Er backte aus den letzten Getreideresten einen großen Laib Brot, kletterte damit auf die Stadtmauer und hielt ihn in die Höhe, damit ihn die Angreifer sehen können. Hacker wollte ihnen vorgaukeln, dass die Stadt noch reichlich Lebensmittel habe. Doch die Belagerer eröffneten das Feuer, der Bäcker verlor seinen rechten Arm und erlag seinen Verletzungen.
Diese Sage oder eine ihrer unzähligen Varianten kennen viele Augsburger. Ihr Wahrheitsgehalt ist sehr umstritten. Doch der Steinerne Mann wacht noch immer über die Stadt – in Form einer Steinfigur. Die grimmig schauende Statue ohne rechten Arm steht am Stadtgraben.
Nachdem die Katholiken 1635 Augsburg beherrschten, wurden die Protestanten abermals unterdrückt. Ein Gemälde in der Barfüßerkirche verrät einen Teil der Geschichte. „14 Jahre lang mussten die Protestanten ihre Gottesdienste im Freien abhalten, weil die Katholiken die Kirchen beschlagnahmt haben“, sagt Wallenta. Das Gemälde zeigt eine Menschenmenge im Hof des Kollegiums von St. Anna, in einer sommerlichen Szene. Aber auch im Winter konnten die Gläubigen in keine Kirche gehen. Ein Gottesdienst war dann mit Schnee und Frost verbunden. Doch heute sind in Augsburg so gut wie keine Erinnerungsstücke an den Dreißigjährigen Krieg zu finden. „In der ganzen Stadt sieht man kaum ein Denkmal“, sagt er.
Wesentlich offensiver geht dagegen das Allgäu mit seinen Erinnerungen um. Vor allem die Stadt Memmingen, sagt Kulturamtleiter Hans-wolfgang Bayer: „Memmingen pflegt eine intensive Auseinandersetzung mit den Geschehnissen des Dreißigjährigen Krieges.“Alle vier Jahre werden dort die „Wallensteinspiele 1630“veranstaltet. Bei dem großen historischen Fest stellen Gruppen den Einzug Wallensteins mit seinem katholischen Heer in die Stadt nach. Während der Festtage tummeln sich tausende Menschen in historischen Gewändern in den Straßen und feiern die Geschichte Memmingens. Vor rund 400 Jahren hatte Wallenstein allerdings den Hunger mit im Gepäck – die Stadt musste sein gewaltiges Heer durchfüttern.
Das Allgäu traf der Krieg ebenso hart wie das restliche Schwaben. Kaufbeuren etwa durchlebte ein ähnliches Schicksal wie viele andere Städte: massenhaft Tote durch Krieg, Hunger und Krankheiten. Bis zum Jahr 1648 verlor Kaufbeuren drei Viertel seiner Bevölkerung. Auch Füssen konnte den anrückenden Heeren nicht standhalten, die Stadt und das erst neu errichtete Franziskanerkloster wurden komplett geplündert. Auch das Hohe Schloss, ein Wahrzeichen der Stadt, wurde damals schwer beschädigt.
Auch Kempten verlor damals sein Wahrzeichen. Die komplette Klosteranlage der Stadt wurde von den Schweden zerstört. Erst nach dem Krieg begann der Neuaufbau, aus dem die heutige Fürstäbtliche Residenz entstanden ist. Doch die Arbeiten dauerten lange, denn Kempten war beinahe entvölkert. Vor dem Krieg hatte die Stadt 6000 Einwohner. Danach waren es 900. Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges dauerten auch in Schwaben die Schrecken an. Kaiserliche Truppen, französische und schwedische Heere zogen durch die Region und hinterließen Krankheit, Hunger und Verwüstung. Während dieser Zeit liefen schon die Friedensgespräche, doch auf das Leben der Schwaben hatte das noch keine Auswirkung.
Noch im Jahr 1648 fand bei Zusmarshausen im heutigen Landkreis Augsburg die letzte große Feldschlacht des Krieges statt. Am 17. Mai prallte ein Heer aus Franzosen und Schweden zum letzten Mal mit kaiserlich-katholischen Truppen zusammen. Die Protestanten siegten und verwüsteten noch einmal weite Teile von Schwaben. Gut fünf Monate später unterzeichneten die Herrscher der Kriegsparteien den Westfälischen Frieden im weit entfernten Münster und Osnabrück. Zwei Jahre dauerte es noch, bis die letzten schwedischen und französischen Truppen aus Schwaben abzogen. Sie hinterließen nichts als Schutt und Trümmer. Und ihre Spuren, die für immer diese Region zeichnen werden. Auf dem Schlachtfeld von Zusmarshausen befinden sich heute Felder und eine Forellenzucht.