Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Revolutionen sind leicht – bis es an die Umsetzung geht
Leitartikel In Italien müssen Populisten und rechte Nationalisten erst beweisen, was ihre großen Versprechen wert sind – und wie gut ein Politikneuling Politik machen kann
Kann das gut gehen? Ein weitgehend unbekannter italienischer Juraprofessor ohne jegliche politische Erfahrung soll die erste, von zwei populistischen Parteien getragene Regierung in Italien führen. Die linkspopulistische, systemkritische Fünf-sterne-bewegung und die rechtsnationalistische, fremdenfeindliche Lega sind an sich schon zwei Unbekannte, wenn es um die Umsetzung politischer Programme geht. Nun kommt mit Conte der nächste Unsicherheitsfaktor hinzu. Auch deshalb zögert Staatspräsident Sergio Mattarella damit, den 54-jährigen Juristen sogleich mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die Sorge, bei Conte könne es sich um eine aus den Parteizentralen ferngesteuerte Marionette handeln, treibt den Staatschef um. Ungenauigkeiten in Contes Lebenslauf, in dem nicht bestätigte Studienaufenthalte in New York und Wien aufgeführt sind, tragen nicht gerade zur Beruhigung bei.
Und doch ist die italienische Politik dieser Tage mit Realismus zu betrachten. Es ist institutionell gesehen ein Erfolg, dass sich Fünfsterne-bewegung und Lega knapp 80 Tage nach der Wahl auf eine gemeinsame Regierung und einen Ministerpräsidenten geeinigt haben. Die Alternative hieße Neuwahlen. Das birgt mehrere Risiken. Vor allem würde sich zunächst der lähmende Stillstand in Rom fortsetzen. Den Sieg könnte ein in den Umfragen immer stärker werdendes Mitte-rechts-bündnis aus Lega, Silvio Berlusconis Forza Italia und einer postfaschistischen Splitterpartei davontragen.
Tatsache ist: Die Italiener haben längst entschieden, in welche Richtung ihr Land jetzt geführt werden soll. Fünf Sterne und Lega haben eine klare Mehrheit der Wähler hinter sich. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Zustimmung für die Populisten weiter steigt. Sechs von zehn Italienern wollen, dass die Populisten-regierung endlich mit der Arbeit beginnt. Wer nun wie viele Bedenkenträger das Ende Europas oder zumindest des Euro heraufbeschwört, muss sich fragen lassen, wie ernst er eigentlich die Demokratie und ihre Mechanismen nimmt. Stattdessen wäre der Krise auf den Grund zu gehen: Ist Italien schlicht unfähig, sich nachhaltig zu erneuern, oder gibt es objektive sind keine Verbrechen. Äußerst fraglich ist ihre Finanzierung. In Rom versprach die aus der Fünfsterne-bewegung stammende Bürgermeisterin vor zwei Jahren einen neuen Frühling für die italienische Hauptstadt. Passiert ist bisher so gut wie nichts. Eine Revolution zu versprechen, ist leicht. Sie umzusetzen, wesentlich schwieriger.
Das gilt auch für die kommende Regierung. Im Hinblick auf die Veränderung der Eu-verträge haben die Populisten schon im Wahlkampf und während der Koalitionsgespräche ihre Positionen abgemildert. Vom Euro-austritt ist keine Rede mehr. Nun muss sich zeigen, wie viel vom versprochenen Crashkurs übrig bleibt, wenn Lega und Fünf-sterne-bewegung tatsächlich an der Macht sind. Die Eu-verträge einseitig aufzukündigen, ist eine Illusion. Panikmache durch Ratingagenturen und Finanzmärkte aufgrund düsterer Aussichten ist unverantwortlich. Ankündigungen sind das eine. Es kommt aber darauf an, ob und wie die Populisten ihr extrem vage gehaltenes Programm umsetzen.