Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hundeattacke: Polizist mit 27 Stichen genäht
Tiere Ein Rottweiler hat in München fünf Menschen verletzt. Nun stellt sich die Frage, warum es immer wieder zu solchen gefährlichen Angriffen kommt und ob ein „Führerschein“für Vierbeiner dies verhindern könnte
München Die Rottweiler-attacke nahe des Münchner Hauptbahnhofs am Samstag war kein alltäglicher Einsatz für die Polizei. Es kommt äußerst selten vor, dass die Beamten zu Beißattacken gerufen werden, sagt Anna Heschl, Pressesprecherin der Münchner Polizei. Die Fleischwunde am Arm eines Beamten musste mit 27 Stichen genäht werden. Der Hund hatte vier weitere Menschen verletzt. Die Betroffenen wurden alle ambulant im Krankenhaus behandelt. Die Polizei erschoss schließlich den Vierbeiner
Die Besitzerin des Rottweilers muss nun mit einer Anzeige wegen fahrlässiger oder gefährlicher Körperverletzung rechnen. Denn sie ließ ihren Hund nach der ersten Attacke ein weiteres Mal frei herumlaufen. Unklar ist bisher, ob die 26-jährige Berlinerin ihren Hund beim zweiten Mal vorsätzlich ohne Leine aus dem Auto springen ließ oder ob er ihr ausgekommen ist. Die Ermittlungen dazu laufen noch, sagt Heschl.
In den vergangenen Monaten haben sich in Deutschland gleich mehrere solcher Hundeattacken ereignet. Vor dem Amtsgericht Sigmaringen (Baden-württemberg) müssen sich an diesem Dienstag zwei Hundebesitzer sogar wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Ihr Hund der Rasse Kangal verletzte eine 72-jährige Seniorin tödlich. Der Fall sorgte vor ziemlich genau einem Jahr für großes Aufsehen. Die Besitzer hielten insgesamt drei Hunde und 20 Katzen. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war das Grundstück nicht für die artgerechte Hundehaltung geeignet. Die Tiere waren an diesem Tag sich selbst überlassen und ohne jede Aufsicht.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sterben in Deutschland jährlich ein bis sechs Menschen an den Folgen eines Hundebisses. Wie in Hannover im April, als der Staffordshire-terrier-mischling Chico in einer Wohnung seine Besitzer totbiss. Bekannte sagten, dass die beiden mit dem Hund vollkommen überfordert waren. Eine ähnliche Tragödie ereignete sich ebenfalls im April in Bad König (Hessen). Dort erlag ein Baby seinen schweren Kopfverletzungen.
Pitbull, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Rottweiler und Schäferhund dominieren in den Statistiken tödlicher Beißattacken, heißt es in einer Veröffentlichung des Deutschen Ärzteblattes. Tödlich enden meist unbeobachtete Attacken und betreffen Opfer, die sich schlecht selbst verteidigen könnten, also vor allem ältere Menschen und kleine Kinder.
Wie kann es zu solchen schockierenden Vorfällen kommen? Das Problem liege meist an der anderen Seite der Leine – bei den Menschen, sagen Tierschützer. Jeder Hund, der falsch gehalten oder erzogen wird, könne zu einer Gefahr werden. Tierärztin Tanja Warter, Expertin unserer Zeitung, sieht die Rottweiler-attacke in München in mehreren Faktoren begründet. Hunde in Städten seien oft chronisch unterbeschäftigt. „Dann erst kommen Hunde auf dumme Gedanken.“
Zudem sehen viele Besitzer anfangs oft nur die süßen kleinen Welpen und seien dann völlig überfordert. „Welpenschule, Hundeschule, Erziehung – ein Hund braucht viel Zeit und Beschäftigung.“Hundehalter sollten sich rechtzeitig über die Hunderassen und ihre Charaktereigenschaften informieren, sagt Warter. Ein Rottweiler sei vom Wesen her unerschrocken, gezüchtet als Treibhund und Bewacher von Haus und Hof. „Wenn der in falsche Hände gerät und keine Unterordnung lernt, können solche Tiere hochaggressiv werden.“Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch der illegale Welpenhandel mit solchen Rassen.
In Bayern werden gefährliche Hunderassen in zwei Kategorien eingeteilt. So dürfen Staffordshireterrier nur in absoluten Ausnahmefällen und mit berechtigtem Interesse gehalten werden, Rottweiler schon bei einem positiven Wesenstest. Warter lehnt diese Einteilung ab und befürwortet einen sogenannten Hundeführerschein für alle Halter. Dieser soll die Kommunikation zwischen Mensch und Tier verbessern und zeigen, dass man seinen Vierbeiner unter Kontrolle hat. Denn letztlich, sagt sie, sei es immer eine Frage der Erziehung.