Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Bei uns gibt es kein Ego Denken“
Interview Miroslav Klose hat als Spieler an vier Weltmeisterschaften teilgenommen. In Russland ist er Teil von Jogi Löws Trainerteam. Nach der WM wechselt er seinen Arbeitsplatz
Noch neun Weltmeister von 2014 stehen im vorläufigen Wm-kader. Die können es in Russland auf dem Platz richten. Sie sind der Zehnte. Was können Sie zur angestrebten Titelverteidigung beitragen? Klose: Ich glaube, dass ich dem Trainerteam helfen kann, sich in die Spieler hineinzuversetzen, wie sie ticken, wann sie müde sind, wann man Trainingseinheiten dosieren muss. Da bin ich ein Bindeglied.
Wie werden Sie von Joachim Löw bei Nominierungsfragen des Wm-kaders in das Trainerteam eingebunden? Klose: Über Monate werden von unserer Scouting-abteilung Videos erstellt, wie sich die Stürmer bewegen. Ich habe mir jeden Spieler mindestens dreimal live angeschaut. Da trage ich zur Nominierung meinen Teil bei.
Wie gut ist der deutsche Angriff aufgestellt für die WM? Klose: Wir haben einen schnellen spielerischen Typen wie Timo (Werner) dabei und mit Mario (Gomez) einen Brecher mit einem super Abschluss im Sechzehner. Und Nils (Petersen) schaue ich mir jetzt im Trainingslager genau an. Für ihn ist alles neu. Es geht hier auf dem Platz ein bisschen schneller zu als beim SC Freiburg. Wie kommt er damit zurecht? Wie positioniert er sich im Strafraum? Ich schaue mir das genau an und werde dann ein Gespräch mit ihm führen.
Portugal hat Cristiano Ronaldo. Argentinien hat Lionel Messi. Frankreich hat Antoine Griezmann. Und Brasilien Neymar ... Klose: ...und wir haben die Mannschaft ...
... und Deutschland hat Timo Werner, sollte das Ende dieser Aufzählung sein. Klose: Ich wiederhole mich: Und wir haben die Mannschaft. Das war bei Turnieren schon immer so. Ich bin der festen Überzeugung, dass Einzelspieler nur glänzen können, wenn die Mannschaft intakt ist. Bei uns war es immer so: Jeder einzelne Spieler weiß es zu schätzen, dass alles von der Mannschaft kommt. Das ist das A und O. Das Ego-denken hat bei uns kein Spieler.
Trotzdem noch einmal zu Timo Werner. Beim Confed Cup 2017 ist er im Nationalteam durchgestartet, war Torschützenkönig. Sie haben seine Entwicklung hautnah miterlebt. Zählt er schon zur Weltklasse? Klose: Nein. Ich sehe ihn als fantas- tischen Spieler an, aber noch nicht in der absoluten Weltklasse. Ich hatte damals als Profi fünf Jahre in Kaiserslautern gespielt und erkannt, dass ich stagnierte. Es musste eine Veränderung her. Dann habe ich mich in Bremen noch mal deutlich weiterentwickelt. Alle zwei, drei Jahre musst du dich verändern, um etwas dazuzulernen.
Könnte die Antwort auf Ronaldo, Messi oder Griezmann auch lauten: Und Deutschland hat Thomas Müller? Sie sind mit 16 Treffern Wm-rekordschütze. Aber Müller kommt auch schon auf zehn. Droht Ihnen da Gefahr? Klose: Von mir aus kann Thomas gerne zehn Kisten in Russland machen. Er hat bei seinen ersten zwei Wm-turnieren jeweils fünf Tore gemacht, so wie ich 2002 und 2006. Und ich sehe ihn notfalls auch als Stürmer. Thomas Müller finde ich einfach super.
Ähnlich wie Sie Ihre Spielerkarriere schrittweise entwickelt haben, steigen Sie auch als Trainer nicht gleich im Profibereich ein, sondern werden nach der Weltmeisterschaft erst einmal U17-trainer beim FC Bayern. Warum? Klose: Als Spieler war das auch mein Weg. Ich will mich Stück für Stück weiterentwickeln. Ich sehe das als Lernprozess. Jetzt mache ich meine ersten Schritte als Trainer. Seit drei Monaten bin ich fast jeden Tag auf dem Bayern-campus, schaue mir die Spieler an und versuche mir ein großes Bild zu machen. Ich habe viel Lust genau auf diese Aufgabe.
Sie lernen bei der Nationalmannschaft von einem der besten Trainer der Welt. Was nimmt der Jogi-schüler Miro Klose mit? Klose: Viel! Es sind nun fast zwei Jahre, die ich beim Trainerstab dabei bin. Ich nehme die taktische Finesse mit, die Jogi Löw hat. Da ist er ohnehin die Nummer eins. Dazu kommt das Zwischenmenschliche. Er hat ein Gespür für Spieler, für den Zusammenhalt in der Gruppe. Er weiß, wann er jemanden kitzeln muss. Da habe ich viel gelernt.
Ist die WM für Sie der Schlusspunkt beim Nationalteam? Klose: Ja. Jetzt kommt die WM – dann der Cut. Zweigleisig, das wollte ich nicht. Ich steige nach der WM ohne Urlaub sofort ein bei Bayern.
Aber Trainer im Nachwuchsbereich soll nicht die Endstufe sein, oder? Klose: Ich habe zwei Jahre Vertrag bei Bayern. Irgendwann will ich natürlich mal hoch, das ist klar. Sonst hätte ich den Weg als Trainer nicht eingeschlagen. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich muss ein Gefühl entwickeln, was wann richtig ist. Ich war auch als Spieler immer ehrlich zu mir. Ich brauchte nie Berater und keine Freunde um mich herum, die mir gesagt haben, dass ich nicht gut gespielt hatte, weil die Flanke schlecht war, die Sonne zu tief stand oder der Rasen zu hoch war.
Der Wm-spielplan meint es ausnahmsweise gut mit Ihnen. Den 9. Juni, wenn Sie 40 werden, können Sie zwischen Trainingslager und Abreise nach Russland daheim verbringen. Glück gehabt, oder? Klose: Ja. Denn in 17 Jahren als Fußball-profi war ich genau an zwei Geburtstagen daheim.
Miroslav Klose (39) ist WM Re kordtorschütze (16 Tore) und Weltmeister von 2014. In 137 Län derspielen erzielte er 71 Tore. Nach der WM wechselt er vom DFB zur U17 des FC Bayern München.