Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die wahren Mächtigen in Rom

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VON JULIUS MÜLLER MEININGEN zweier Politiker, die wesentlich mehr Einfluss in ihre Organisati­onen hinein haben als die Vorsitzend­en der herkömmlic­hen Parteien.

Die seltsame Achse linker und rechter Populisten hat eine weitere Eigenheit. Nicht der politische Chef der stärksten Partei im Parlament führt die Regierung an, sondern eine Art gehobener Regierungs­sprecher. Nichts anderes stellt der neue italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte dar. Er ist ein gewiss ausgezeich­neter Juraprofes­sor, aber ohne jegliche politische Erfahrung. Seine Regierungs­erklärung machte vor allem deutlich, dass der Premier, der sich „Anwalt des italienisc­hen Volkes“nennt, kaum eigenen politische­n Spielraum hat. er. Wer sich integriere und arbeiten wolle, sei willkommen. Flüchtling­e müssten gerechter auf die Eu-staaten verteilt, die Prozeduren zur Rückführun­g effektiver gestaltet werden. Der Premier wirkte wie einer, der guter und böser Polizist in ein und derselben Person sein will.

Offenbar versucht er so, die beiden Herzen der Koalition auszutarie­ren, auf der einen Seite die eher links orientiert­e Fünf-sterne-bewegung und auf der anderen die rechtsnati­onale Lega. Und Conte setzte dabei ein bemerkensw­ertes Signal mit einem Tribut an einen am Samstag in Kalabrien ermordeten Einwandere­r und Gewerkscha­ftler. Alle Fraktionen des Senats erhoben sich, um dem aus Mali stammenden 29-jährigen Soumail Sacko per Applaus die Ehre zu erweisen.

Spielt der Juraprofes­sor mit den Vorurteile­n gegenüber den Populisten? „Wenn Populismus bedeutet, auf die Bedürfniss­e des Volks zu hören, und wenn systemkrit­isch bedeutet, das System zu verändern, verdienen wir alle beide Bezeichnun­gen“, sagte der Premier.

Auch außenpolit­isch versprach Conte Kontinuitä­t und Brüche zugleich. Italien bleibe überzeugte­s Mitglied der Nato und sehe in den USA seinen „privilegie­rten Alliierten“. Italien wolle aber zugleich Förderer einer „Öffnung im Hinblick auf Russland“sein, betonte er. Russland habe seine Rolle in verschiede­nen geopolitis­chen Krisen gestärkt, sagte der Premier und verlangte ein Ende der Eu-sanktionen gegenüber Moskau. Auch damit dürfte die Regierung Conte Unfrieden in der EU stiften.

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