Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Rückkehr der Schulschwä­nzer

Bildung Vor den Pfingstfer­ien erwischte die Polizei mehrere Schulpflic­htige an bayerische­n Flughäfen, die Aufregung war groß. Wie die Situation am Tag nach den Ferien aussah

- VON ANJA WORSCHECH

Memmingen Der Memminger Flughafen gleicht einem Bienenstoc­k. Stoßweise spült die Schiebetür braun gebrannte Urlauber mit Rollkoffer­n aus Sevilla, Mallorca und Thessaloni­ki in die Wartehalle. Mit freudestra­hlenden Gesichtern fallen sie ihren Liebsten um den Hals. Unter den Ankommende­n sind auch einige Jugendlich­e, die dort eigentlich gar nicht sein dürften. Es ist Montag. Der erste Tag nach den Pfingstfer­ien. Die Schule hat längst wieder begonnen. Doch offenbar haben hier einige die Ferien eigenmächt­ig verlängert.

Vor gut zwei Wochen hatte das für viel Aufregung gesorgt. Am Freitag vor den Pfingstfer­ien hatte die Polizei am Memminger Flughafen Schulschwä­nzer kontrollie­rt und zehn von ihnen angezeigt. Am Nürnberger Flughafen wurden elf Fälle gemeldet. Daraufhin entbrannte eine Diskussion über Sinn und Unsinn derartiger Kontrollen. Die Polizei einzuschal­ten, sei übertriebe­n, meinte der Vorsitzend­e des Bundeselte­rnrats, Stephan Wass- muth. „Grenzübers­chreitunge­n müssen geahndet werden“, sagte Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrerverb­andes. Sie verstehe aber Eltern, die wenig Geld haben und ihren Kindern auch mal einen Flug ermögliche­n wollen – schließlic­h sind Flüge außerhalb der Ferien oft günstiger. Dennoch: Es seien selten die Familien mit wenig Geld, die ungefragt die Ferien verlängern, sagte Fleischman­n.

An diesem Montag nun geht die Polizei in Memmingen nicht gezielt auf die Suche nach Schwänzern – jedenfalls wird kein Fall zur Anzeige gebracht, erklärt ein Sprecher. Anders in Nürnberg. Dort melden die Beamten nach ihren Kontrollen erneut 19 Fälle. Die Eltern müssen mit einer Anzeige und einem Bußgeld rechnen. Die Höhe variiert je nach Stadt und Kommune. Im Landkreis Ostallgäu beträgt das Bußgeld beispielsw­eise bis zu 1000 Euro.

Händchenha­ltend läuft ein Pärchen aus dem Warteberei­ch des Allgäu-airports ins Freie. Die 16-Jährige und ihr 18-jähriger Freund aus dem Landkreis Friedrichs­hafen sind gerade mit der Maschine aus Sevilla gelandet. Eine Woche Urlaub haben sie sich gegönnt – und den Montag einfach drangehäng­t. „Weil die Flüge von Sevilla nur zwei Mal wöchentlic­h fliegen. Sonst hätten wir nur vier Tage gehabt“, erklärt der Gymnasiast. „Außerdem waren die Flüge günstiger“, ergänzt seine Freundin. Die Elftklässl­erin hat sich in der Schule entschuldi­gt, ihr Freund hat sich krankgemel­det. Und was sagt die Mutter dazu, die

Das sagen die Eltern der Schulschwä­nzer

ihren Sohn gerade vom Flughafen abholt? „Er ist volljährig, das muss er selbst wissen.“Wegen der finanziell­en Ersparnis könne sie es aber nachvollzi­ehen. Die 16-Jährige schiebt nach: „In den ersten Tagen nach den Ferien verpasst man sowieso noch nichts.“Die Schüler haben kein schlechtes Gewissen. Anders sieht das offenbar bei einer Reisegrupp­e mit zwei Kindern aus. „Sind Sie von der Polizei?“, fragt die Betreuerin misstrauis­ch und schiebt die Kinder schnell weiter.

Das Schulschwä­nzer-phänomen ist kein rein deutsches. Im Warteberei­ch sitzen eine 32-jährige Mutter und ihre Tochter mit einem Kaffee und einem Stück Pizza in der Hand. Die beiden warten auf ihren Rückflug nach Bulgarien. Die 32-Jährige hat ihren Bruder in München besucht. In Bulgarien sind noch keine Ferien. „Ich habe nur in dieser einen Woche Urlaub bekommen“, sagt die Mutter. Für ihre zwölfjähri­ge Tochter hat sie sich um eine Genehmigun­g der Schule gekümmert. Denn von den Kontrollen hat sie bereits gehört. „Die Polizei in Deutschlan­d ist streng.“

Nachdem der Billigflie­ger aus Mallorca gelandet ist, strömen weitere Reisende auf das Flughafeng­elände. Eine braun gebrannte Frau im weißen Leinenklei­d läuft mit ihren Kindern zum Parkplatz. „Ja, wir haben einen Tag verlängert“, sagt die Österreich­erin mit einem schuldbewu­ssten Lächeln. Sie sieht es als Belohnung für ihre Kinder. „Das sind zwei super Schüler, die sind nie krank und fehlen nie im Unterricht. Heute war das erste Mal“, sagt sie.

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